Arbeiten bis zum Umfallen

Gegenwind für den Milliardär Jack Ma

Alibaba-Gründer Jack Ma hält 72-Stunden-Woche für einen „Segen“

In China protestieren IT-Spezialisten gegen die Arbeitsbedingungen. Der  Milliardär befeuert die öffentliche Debatte mit provokanten Aussagen.
Alibaba-Gründer Jack Ma befeuert die Debatte nun auf ein Neues. „Ich denke, dass es ein großer  Segen ist, 996 zu arbeiten“, sagte Chinas reichster Mann laut einem  Blogeintrag. Wer für seinen Onlinehändler arbeiten wolle, müsse bereit  sein, zwölf Stunden am Tag zu arbeiten. „Wenn Menschen nicht einmal 996  arbeiten, wenn sie jung sind, wann können sie es dann?“, fragte der  54-Jährige offenbar rhetorisch.
Auch wenn lange Arbeitszeiten in China die Regel sind, regt sich in der Bevölkerung zunehmend Widerstand.

Handelsblatt 12.4.2019

Ein ausführlicherer Bericht:

„996“: Protest gegen Ausbeutung in China wächst

Peking – Die Ausbeutung in vielen Unternehmen in China stösst  auf wachsenden Widerstand. Im Mittelpunkt der erhitzten Debatte steht  die „996“ genannte Arbeitszeitkultur: Von neun Uhr morgens bis neun Uhr  abends sechs Tage die Woche arbeiten, meist ohne zusätzlich oder  ausreichend bezahlt zu werden. Die Protestbewegung hatte ihren Ursprung  in der Informationstechnologie-Branche und breitet sich auch auf andere  Sparten aus. Die Zensur hält sich aus der populären Diskussion heraus –  und Staatsmedien signalisieren Unterstützung.
Auf der Entwicklerplattform Github startete schon im März eine Gruppe  von Entwicklern den Protest unter dem Stichwort „996.ICU“. ICU steht  für Intensive Care Unit, weil überarbeitete Beschäftigte auf der  Intensivstation des Krankenhauses landen können. „Viele Tech-Firmen  haben Todesfälle von Angestellten, die auf lange Überstunden  zurückzuführen sind“, stellte die „China Daily“ fest. „Kein Schlaf, kein  Sex, kein Leben“, titelte die „South China Morning Post“.
996 ein grosser Segen? Für Jack Ma schon
Der Chef von Alibaba, Jack Ma, goss noch Öl ins Feuer, als er „996“  einen „grossen Segen“ nannte. „Wer bei Alibaba anfängt, sollte bereit  sein, zwölf Stunden am Tag zu arbeiten“, forderte der Milliardär vollen  Einsatz. „Wir brauchen diejenigen nicht, die bequem acht Stunden  arbeiten.“ Sein Kollege Richard Liu vom Online-Händler JD.com blies ins  gleiche Horn und kritisierte die „Faulenzer“.
Staatsmedien signalisieren Unterstützung
Die von der Kommunistischen Partei gelenkten Staatsmedien stehen  hingegen eher hinter den überarbeiteten Beschäftigten. „996 hat nichts  mit Strebsamkeit zu tun. Es geht um Profit“, kritisierte das von der  Partei herausgegebene Journal „Banyuetan“.
40-Stunden-Woche, 36 bezahlte Überstunden im Monat
Beschäftigte sollten auf ihre Gesundheit achten und sich ihrer Rechte  bewusst sein, schrieb die vom Parteiorgan „Volkszeitung“ herausgegebene  „Global Times“. „Sie sollten sich trauen „Nein“ zu sagen gegenüber  Unternehmen, die sich nicht an das Arbeitsrecht halten.“ So gilt in  China eigentlich die 40-Stunden-Woche, während im Monat nur 36  Überstunden erlaubt sind und entschädigt werden müssen.
Vor allem chinesische Unternehmen auf schwarzer Liste
Bis Donnerstag erntete die Github-Seite 225’000 Sterne als Zustimmung,  während andere populäre Themen höchstens auf 20’000 bis 50’000 kommen.  Eine „schwarze Liste“ mit mehr als 100 Unternehmen wurde erstellt, die  gegen Arbeitszeitgesetze verstossen. Darunter sind Alibaba, Huawei,  Tencent, Baidu, Xiaomi oder JD.com. Auf einer Liste mit  Positiv-Beispielen stehen hingegen meist ausländische Firmen.
Es gibt auch eine 996.ICU-Webseite,  die aber nicht die Zensur, sondern die kritisierten Konzerne wie  Tencent oder Xiaomi selber blocken. Ihre Browser zeigen sie mit dem  Hinweis auf „illegale Informationen“ gar nicht erst an. „So müssen diese  996-Entwickler der 996-Unternehmen jetzt 996 arbeiten, um eine Webseite  über 996 zu blocken“, kommentierte ein Internetnutzer.

money cab 18.4.2019