May 21, 2021

Abschied von einem Internationalisten

Erinnerungen an Helmut Weiss

Abschied von einem Internationalisten

Helmut Weiss, geb. am 15.7.1948, ist am 11. Mai 2021 an Krebs verstorben. Er hat für LabourNet Germany die internationale Berichterstattung betreut und dabei natürlich auch die zu China. Ich habe Helmut über die Zusammenarbeit mit dem LabourNet 2005 kennengelernt, als es darum ging, den Entwicklungen in China und der Arbeiterbewegung dort im deutschsprachigem Raum größere Aufmerksamkeit zu widmen.

Die ehemals vom Maoismus und dem sozialistischen Aufbau des Landes faszinierte Linke der 1960er und 1970er Jahre in Deutschland hatte in den 90er Jahren eine kritische Auseinandersetzung mit den sozialen, ökonomischen und politischen Entwicklungen Chinas auf dem Weg in den Weltmarkt weitgehend verdrängt. Dies galt es aufzubrechen und Helmut half dabei im LabourNet den Arbeitswelten in China wieder größere Aufmerksamkeit zu schenken, u.a. mit der Veröffentlichung der ausführlichen Berichte über die Begegnungsreisen nach China 2005-2007. Selber hat er an einer Reise nach China in dieser Zeit nicht teilgenommen. Im Laufe unserer Zusammenarbeit erfuhr ich aber von ihm, daß er als Mitglied des ZK der KPD/ML im Juni 1975 zu einem Besuch in China war und dort gemeinsam mit deren Vorsitzenden Ernst Aust vom Mitglied des ZK der KPCh Yao Wenyuan, Mitglied der sogenannten Viererbande, empfangen wurde. Das hätte ihn damals sehr beeindruckt, erzählte er mir. Es hat dann wohl auch einige Zeit gedauert, bis er sich vom Maoismus verabschiedet hat.

Es ging ihm aber nicht nur darum, über China zu berichten, sondern auch für Aktivisten in China mit ausgewählten Artikeln übersetzt ins Chinesische über die soziale Lage in Deutschland.

LabourNet Germany goes China - und wir laden ein, mitzugehen, schrieb er dazu in einem Rundbrief im Dezember 2008. Unmittelbar unterstütze er Begegnungen von „labour activists“ und GewerkschafterInnen aus beiden Ländern, indem er 2009 einer Besuchergruppe aus China Lebensbedingungen in Dortmund zeigte und Kontakte zu den örtlichen Gewerkschaften herstellte. 2011 half er im Buchladen Taranta Babu ein Wochenendseminar zum Thema Prekarisierte Arbeit, geteilte Solidarität. mit drei Aktivisten aus China zu organisieren. Als die Zusammenarbeit von express, TIE, Südwind-Institut und LabourNet Germany zu Arbeitswelten – China und Deutschland 2011 eine eigene Organisationsform als Verein Forum Arbeitswelten annahm, war er Gründungsmitglied und für die ersten zwei Jahre dessen Vorsitzender. Für unsere Partner aus China war Helmut auch aufgrund seiner Kenntnisse und Kontakte zu politischen Bewegungen in Brasilien besonders interessant und er hat mehrfach Kontakte hergestellt und versucht, Begegnungen zwischen Aktivisten der beiden Ländern zu ermöglichen.

Helmut war in vieler Hinsicht unkonventionell. Mir scheint, seine Jugendzeit in Brasilien hat ihn so geprägt, dass mit der Rückkehr nach Deutschland ihm eine Identifikation mit seinem Geburtsland nicht mehr möglich war. Mit der Adoption von zwei Kindern aus Brasilien und ihrer Betreuung in Deutschland hat er einen sehr individuell, persönlichen Beitrag zum Internationalismus – um nicht zu sagen Weltbürgertum – geleistet und damit seiner Empathie für alle Benachteiligten, Unterdrückten und Ausgebeuteten einen besonderen Ausdruck verliehen. Er wird ihnen, die inzwischen erwachsen sind und uns mit dieser Haltung fehlen.

Peter Franke, Vorsitzender des Forum Arbeitswelten e.V.

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