June 24, 2022

Antiasiatischer Hass in Deutschland & Gegenwehr

Ein Interview mit dem FAW Mitglied Kimiko über Rassismus und Gegenwehr

Antiasiatischer Hass in Deutschland & Gegenwehr

In den USA ist eine Welle von antiasiatischem Hass und gewaltsamen Übergriffen über das Land gerollt in Folge von Trumps Wortschöpfungen "Kung Flu" oder "China Virus" für Covid19. Ein Anstieg der Gewalt um mehr als das Dreifache wurde auch von den deutschen Medien registriert. Existiert in Deutschland auch eine antiasiatische Stimmung und hat diese in letzter Zeit zugenommen?

Ab Beginn des Jahres 2020 ließ sich eine Kulturalisierung und Rassifizierung von Covid-19 auch in den deutschen Medien beobachten. Im Herbst/Winter 2020 habe ich für einige Monate an der HU Berlin gearbeitet, und mit einigen Kolleg*innen vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung und der Freien Universität Berlin, eine kollaborative Studie zu antiasiatischem Rassismus in Zeiten der Corona-Pandemie durchgeführt, und von circa 700 asiatischen und Asiatisch-Deutschen Teilnehmenden unseres Community-Surveys haben knapp die Hälfte angegeben, seit dem Beginn der Pandemie Rassismus erfahren zu haben. Wir konnten jedoch keinen Vergleich zu der Situation vor und seit dem Beginn der Pandemie anstellen, da es keine laufenden Datenerhebungen in Deutschland zu antiasiatischem Rassismus wie in den USA gibt. Es haben sich auch Leute direkt bei korientation e.V. gemeldet, 2020 und 2021 habe ich als Referentin dort mitgearbeitet, die verbal oder physisch angegriffen wurden. Antiasiatischer Rassismus in Deutschland ist jedoch kein neues Phänomen und lässt sich historisch zurückverfolgen, beispielsweise in die Nachwendezeit, die Zeit des Nationalsozialismus, die Kolonialzeit oder noch weiter zurück in Reiseberichte von Missionaren und Kaufleuten.

Bericht der Deutschen Welle

Wie hat die asiatische Community darauf reagiert?

Es haben sich verschiedene Organisationen zusammengeschlossen und die Plattform „ichbinkeinvirus“ unterstützt, die von einigen IT-Expert*innen gegründet wurde, dort konnten Erfahrungsberichte auch anonym geteilt werden, Ziel der Platform war es einen Ort zum kollektiven Teilen zu bieten und gleichzeitig die große Anzahl von Rassismusfällen zu dokumentieren und sichtbar zu machen. korientation e.V. hat eine Medien-AG gegründet, in der sich asiatische und Asiatisch-Deutsche Medienaktivist*innen vernetzt haben, die tagtäglich gegen antiasiatischen Rassismus in den sozialen Netzwerken gekämpft haben, und bietet darüber hinaus Workshops für Empowerment und mediale und kulturelle Selbstrepräsentation an, d.h. Community-Mitglieder werden gestärkt einen Gegenperspektive zu rassistischen Zuschreibungen zu entwickeln und Rassismus als strukturelles und systemisches Phänomen zu verstehen, gegen das sich kollektiv zur Wehr gesetzt werden sollte.

Kannst du von den Aktionen berichten?

Eine außergewöhnliche Aktion im Bereich der rassimuskritischen/ postmigrantischen Erinnerungskultur ist die Gedenkinitiative Phan Van Toan. Dort haben sich asiatische und Asiatisch-Deutsche Community-Organisationen mit einer brandenburgischen Gruppe des VNN-BdA und diversen Einzelpersonen zusammengeschlossen, um an die rassistische Ermordung von Phan Van Toan in der Nähe der S-Bahn Station Fredersdorf in Märkisch-Oderland zu erinnern, und damit politische Verantwortung für rassistische Gewalttaten öffentlich einzufordern.

Wie kam es zu diesen ungewöhnlichen Bündnissen?

Ein Historiker hat Akten zu rassistischen Morden der 1990er Jahre aufgearbeitet, und der Fall von Phan Van Toan war dabei, und die NGO Opferperspektive aus Potsdam hat eine Ausstellung zu allen rassistischen Morden in Brandenburg erstellt und die Fälle auch auf ihrer Website dargestellt. Dann haben lokale Einzelpersonen aus Fredersdorf und dem nahe gelegenen Strausberg beschlossen, jedes Jahr jeweils zum Tag des Angriffs und zum Todestag von Phan Van Toan eine Kundgebung oder Veranstaltung zu machen. Nach der ersten Kundgebung sind dann einige Leute zusammengeblieben, haben die Initiative gegründet

Waren das einmalige Aktivitäten oder ist etwas mit bleibendes entstanden?

Wir wollen langfristig einen Gedenkstein oder ähnliches vor Ort installieren, aber bisher ist die Gemeinde noch dagegen. Es gibt also noch nichts Permanentes, um an die Ermordung von Phan Van Toan zu erinnern, aber wir bleiben dran, auch wenn es noch ein Jahrzehnt oder länger dauern wird und vernetzen uns mit anderen ähnlichen Initiativen bundesweit.