Die Stars unter den boomenden Großunternehmen Chinas vor dem Kollaps
Evergrande und Boaneng zahlungsunfähig - Arbeiter verweifelt und wütend
Als der angeschlagene chinesische Immobilienriese Evergrande Anfang des Jahres in Geldnot geriet, wandte er sich mit einem eindringlichen Angebot an seine eigenen Mitarbeiter: Wer seine Boni behalten wollte, musste Evergrande einen kurzfristigen Kredit gewähren.
Einige Mitarbeiter baten ihre Freunde und Familienangehörigen um Geld, das sie dem Unternehmen leihen konnten. Andere liehen sich Geld bei der Bank. Dann, in diesem Monat, stellte Evergrande plötzlich die Rückzahlung der Darlehen ein, die als hochverzinsliche Investitionen verpackt worden waren. Jetzt haben sich Hunderte von Beschäftigten den in Panik geratenen Hauskäufern angeschlossen und fordern ihr Geld von Evergrande zurück. Sie versammelten sich letzte Woche vor den Büros des Unternehmens in ganz China, um zu protestieren.
Mitarbeiter von Evergrande, dem größten Immobilienentwickler Chinas, rufen vor dem Unternehmen "Gebt mir mein hart verdientes Geld zurück", weil Evergrande sie nicht bezahlt. Platzt die Blase endlich?
Employees of #Evergrande, largest real estate developer in #China, shouting "Return my hard-earned money!" outside the company as Evergrande is not paying them. Is the bubble finally bursting? I kind of "predicted" it last year. Watch my show here: https://t.co/a4XbIoWtqh pic.twitter.com/yi5rZfm7TP
— Jennifer Zeng 曾錚 (@jenniferatntd) September 7, 2021
Zusätzlich zu den steigenden Rechnungen für Offshore-Anleihen müssen Bauunternehmen und ihre Subunternehmer nach Schätzungen von Nomura International (Hongkong) Ltd. bis zum Ende des Mondjahres 1,1 Billionen Yuan (173 Mrd. $) an aufgeschobenen Löhnen an Wanderarbeiter im Baugewerbe zahlen. Dieses fällt auf den 31. Januar nächsten Jahres.
Evergrande-Mitarbeiter streiken aus Protest gegen unbezahlte Löhne und Sozialleistungen
Nach Angaben von Radio Free Asia haben die Beschäftigten der Evergrande-Unternehmen in Shanxi, Guangxi und Hunan seit dem 22. Dezember Streikerklärungen an den Toren der Unternehmen ausgehängt, in denen sie darauf hinweisen, dass Evergrande seinen Beschäftigten Löhne, Sozialversicherung, Vorsorgefonds und andere damit zusammenhängende Sozialleistungen schuldet, weshalb alle Beschäftigten in den Streik getreten sind und der gesamte Betrieb während des Streiks ausgesetzt ist, wobei der genaue Zeitpunkt für die Wiederaufnahme des Betriebs noch festzulegen ist. Zu den Unternehmen, die den Streik angekündigt haben, gehören die technische Abteilung von Hunan Changsha Evergrande Junyue House, Guangxi Nanning Evergrande International Center, Evergrande Shanxi Company, Evergrande Guangxi Company und weitere.
Nach Evergrande bedroht auch der Zusammenbruch der Baoneng Group die Existenzgrundlage chinesischer Arbeiter
Am 15. Juni veröffentlichte die Automobilsparte des Mischkonzerns Baoneng auf ihrem Weibo-Konto in den sozialen Medien, dass sie eine Investition in Höhe von 12 Milliarden Yuan von einem staatlichen Unternehmen erhalten hatte. (...)
Obwohl in den englischsprachigen Medien nur selten darüber berichtet wird, ist Baoneng ein weit verzweigtes Unternehmen mit Beteiligungen in den Bereichen Finanzen, Immobilien, Gesundheitswesen, Produktion und Einzelhandel. Es besitzt über 40 Einkaufszentren und beschäftigte einst über 150.000 Mitarbeiter. Wie bei Evergrande haben sich auch bei Baoneng die Schuldenprobleme zu einer Krise entwickelt, die mehrere Sektoren der chinesischen Wirtschaft und den Lebensunterhalt vieler Arbeitnehmer betrifft.
Die Entwicklung des Baoneng-Konglomerats
Das Potenzial für den schnellen Zusammenbruch von Baoneng passt zu einem Unternehmen, das einen ebenso schnellen Aufstieg hatte. Das 1992 von den Brüdern Yao gegründete Unternehmen Baoneng begann als Gemüsehändler, der die Agrarpolitik nutzte, um auf dem lukrativen Immobilienmarkt von Shenzhen Land zu erwerben. Von dort aus setzte Baoneng Strategien der Fremdkapitalaufnahme und Unternehmensübernahmen ein, um seine Expansion fortzusetzen. 2003 erwarb es die Shenye Logistics Co. und gründete 2012 die Qianhai Life Insurance. (...) Im Jahr 2017 erwarb Baoneng 51 % von Qoros Automobile und 2019 Changan PSA. In einem Bericht über diese Expansion bezeichnete die International Finance News die acht Milliarden Yuan, die Baoneng in diese Unternehmen investiert hat, als "Geldgrube", da Baoneng in fünf Jahren fünfzig Milliarden Yuan ausgegeben und nur ein einziges neues Modell, den Qoros 7, produziert hat, das sich auf dem Markt kaum durchsetzen konnte. Investitionen wie diese und eine Philosophie der rücksichtslosen Expansion statt solider Investitionen erklären, warum Baoneng am Rande des Zusammenbruchs zu stehen scheint.
Strukturelles Versagen lässt die Arbeiter von Baoneng die Rechnung bezahlen
Die Automobilabteilung von Baoneng war der erste Teil des Konglomerats, der Anzeichen von Versagen zeigte, indem er sich weigerte, den Arbeitnehmern Löhne und Sozialversicherung zu zahlen. Nach Angaben des Qoros Research Institute schulden mehr als 800 Beschäftigte die Sozialversicherung für acht Monate im Jahr 2020 sowie Löhne und Sozialversicherung bis April und Mai 2021. Qoros Auto Shanghai Branch hat die Forderungen der Beschäftigten nach Löhnen und Sozialleistungen in keiner Weise erläutert. Stattdessen ignorierte das Unternehmen weiterhin ihre Forderungen und ging sogar so weit, ein Arbeitsschiedsverfahren als möglichen Win-Win-Kompromiss zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern abzulehnen.
Auch im Xi'an Research Institute and Factory von Baoneng's Automobile kam es zu Lohnrückständen und einer nicht reagierenden Geschäftsführung. Den Beschäftigten werden rückständige Löhne geschuldet, die Sozialversicherung wurde nur bis Mai 2021 gezahlt, und die Rentenfonds der Beschäftigten wurden nur bis Februar 2021 ausgezahlt. Wie in Shanghai reagiert auch die Geschäftsleitung von Baoneng in Xi'an nicht auf Anfragen der Beschäftigten und weigert sich, Verhandlungen oder ein Schiedsverfahren zuzulassen. Baoneng-Beschäftigte berichteten, dass die Unternehmensleitung angesichts der finanziellen Probleme des Unternehmens zu einer Taktik der Massenentlassungen übergegangen sei: "Sie werden am Morgen benachrichtigt, dass Sie entlassen wurden, also beenden Sie Ihre Arbeit und gehen Sie bis zum Nachmittag."
Für die Beschäftigten in Xi'an hat Baoneng kein Datum genannt, bis zu dem ihre Löhne ausgezahlt werden sollen. Die Arbeiter haben ihre Verwirrung beschrieben: "(Baoneng) hat Angestellte, die völlig ahnungslos darüber sind, wann die Löhne gezahlt werden, und wenn man sich zu Wort meldet und um Aufklärung bittet, lassen sie einen gehen." Jiemian News erfuhr, dass die Belegschaft von Qoros Auto, das zu Baoneng Motors gehört, von etwa 2.000 im April auf derzeit 800 reduziert wurde.
Auch in anderen Bereichen der Baoneng-Gruppe - wie etwa im Einzelhandel und in Supermärkten - kam es zu weitreichenden Ausfällen bei der Lohnzahlung. Nach den (inzwischen gelöschten) Online-Beschäftigungsverzeichnissen von Baoneng schulden mehr als 2.700 Beschäftigte des Lebensmitteleinzelhändlers Baoneng Fresh in 29 Städten rund 44 Millionen Yuan an Löhnen. Der letzte Lohn, den die Beschäftigten erhalten haben, war im Juli 2021, für Lohnnachzahlungen im Mai.
Die Baoneng-Beschäftigten in ganz China, die ihren Lohn noch nicht erhalten haben, warten zu Hause auf Arbeit und leiden unter zunehmend schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen. In den sozialen Medien dominieren Gefühle von Depression und Hilflosigkeit die Gespräche. In einem inzwischen gelöschten Beitrag erklärten Arbeiter, die ihren Lohn nicht erhalten haben, dass sie "nicht in der Lage sind, Kredite zurückzuzahlen, dass ihre Kinder nicht zur Schule gehen können, dass die Eltern, die von ihnen abhängig sind, nicht zum Arzt gehen können und dass sie den Punkt erreicht haben, an dem sie nicht mehr leben können". (...)
Baoneng veräußert weiterhin seine Vermögenswerte, und die Arbeiter werden weiterhin nicht bezahlt
Angesichts einer beispiellosen Schuldenkrise ist Baoneng dazu übergegangen, sowohl seine Vermögenswerte als auch seine Anteile an andere Unternehmen und Käufer zu veräußern. Die Folgen der Verschuldung von Baoneng treffen auch die derzeitigen und entlassenen Beschäftigten. Aus den Nachrichten und den sozialen Medien geht hervor, dass viele derzeitige Beschäftigte nur 20 % ihrer Nachzahlungen erhalten haben, wobei die Sozialversicherung und die Wohngeldzahlungen völlig unbezahlt bleiben. (...)
Lu Xuequn, der Vorsitzende der Baoneng-Betriebsgewerkschaft, ist stellvertretender Generaldirektor der Baoneng Holding Group und Direktor des Baoneng Human Resources Center. Im Jahr 2019 schlug er vor, dass die Gewerkschaft von Baoneng "den Rechten der Arbeitnehmer dienen und sie wirksam schützen ..., die gesetzlichen Rechte und Interessen der Arbeitnehmer gewissenhaft schützen und den Arbeitnehmern mit ganzem Herzen dienen sollte."(...)
Bislang sind die Organisationen, die Baoneng helfen, nicht die Gewerkschaften, sondern die örtlichen Arbeitsämter. (...)
China Labour Bulletin 1.11.2021
Seit Monaten wird darüber spekuliert, mit welchen Mitteln Chinas Staatsführung einen Zusammenbruch großer Immobilienkonzerne des Landes abwenden könnte. Jetzt scheint sich ein Weg abzuzeichnen.
In der Krise am chinesischen Immobilienmarkt sendet die Pekinger Führung nach Monaten relativer Zurückhaltung Signale der Entspannung und schickt staatliche Geldhäuser zum Rettungseinsatz.
Heute kündigte die staatlich kontrollierte Shanghai Pudong Development Bank eine fünf Milliarden Yuan (rund 690 Millionen Euro) schwere Anleihe für Bauprojekte an. Experten rechnen damit, dass weitere Geldhäuser dem Vorbild folgen und die in ernsten Liquiditätsnöten steckenden Immobilienkonzerne gestützt werden sollen.
Chinesische Gerichte frieren Evergrande-Vermögenswerte in Höhe von 157 Mio. $ wegen versäumter Bauzahlungen ein
Ein chinesisches Gericht hat das Einfrieren von Vermögenswerten in Höhe von 640,4 Millionen Yuan (101 Millionen Dollar) angeordnet (...).
Das staatliche Unternehmen Shanghai Construction, das die Evergrande-Einheit in der südwestlichen Stadt Chengdu im Dezember wegen überfälliger Baugebühren verklagt hatte, berief sich auf ein Urteil des Mittleren Volksgerichts in Guangzhou, wonach zu den einzufrierenden Vermögenswerten auch Bankguthaben und Immobilien gehören werden.
Unabhängig davon teilte die Shanghai Construction Group letzte Woche mit, dass ein lokales Gericht in Guangzhou Vermögenswerte in Höhe von 361,5 Millionen Yuan einer anderen Evergrande-Einheit in der zentralen Provinz Jiangsu wegen überfälliger Zahlungen eingefroren hat. Viele Zulieferer und Subunternehmer haben wegen versäumter oder verspäteter Zahlungen rechtliche Schritte gegen Evergrande, den mit über 300 Mrd. USD am höchsten verschuldeten Bauträger der Welt, eingeleitet.
[London] Bauarbeiter legen Werkzeuge für das 900 Millionen Pfund teure Projekt One Nine Elms von KPF nieder
Die Bauarbeiter haben damit begonnen, das 900-Millionen-Pfund-Projekt One Nine Elms von Kohn Pedersen Fox (KPF) zu verlassen, da der Hauptauftragnehmer Multiplex beim Bauträger auf Zahlung pocht.
Doch gestern Morgen begannen die Bauarbeiter, die Baustelle zu verlassen. Einige erklärten gegenüber der AJ-Schwesterpublikation Construction News, dass ihre Arbeit auf der Baustelle vorerst eingestellt wurde. Ein Arbeiter sagte: "Die Bauarbeiter werden bis Freitag (4. Februar) alle weg sein. Wir machen uns jetzt auf den Weg. Sie sagten, es könne bis zu drei Monate dauern, aber wer weiß? (...)
Es wird davon ausgegangen, dass die Unterbrechung begann, als der Entwickler, R&F Properties UK mit Sitz in China, den Hauptauftragnehmer Multiplex nicht bezahlte. (...)
...einige Bauarbeiter, die verärgert sind, weil sie nicht bezahlt werden, haben ihre Werkzeuge auf dem Vorzeigeprojekt von Guangzhou R&F Properties Co. niedergelegt ...Die Bauverzögerungen sind das Ergebnis von Zahlungsverzug zwischen R&F und dem Hauptauftragnehmer Multiplex.
bloomberg.com: Chinas Immobilienprobleme erfassen London mit gestoppten Projekten und Verkäufen. Chinesische Bauunternehmen ziehen sich aus der britischen Hauptstadt zurück, und einige Arbeiter des Projekts One Nine Elms legen ihre Werkzeuge nieder.
CLB am 21.2.2022 auf twitter
Die Financial Times sieht China im globalen Kapitalismus angekommen und befürchtet den Lehman Brothers Moment:
Die rasante Expansion des chinesischen Immobiliensektors wurde durch eine große Abwanderung von den ländlichen Gebieten in die Städte angetrieben - und beruhte auf billigen Krediten. Die FT erzählt die Geschichte von Evergrande, dem am höchsten verschuldeten Immobilienentwickler der Welt, der nun am Rande des Zusammenbruchs steht. Es ist eine Geschichte, die die Aussichten für Chinas Position als Lokomotive des globalen Wirtschaftswachstums verändert. Aber ist dies Chinas Lehman Brothers Moment?
FT Video vom 10.3.2022