September 26, 2022

Die Unsichtbaren

Ein Interview der Asian Labour Review mit einer Gewerkschaft der Hausangestellten

Die Unsichtbaren

Gewerkschaften verstärken Druck zur Achtung der Rechte von Hongkongs ausländischen Hausangestellten

Mehr als 300.000 ausländische Hausangestellte sind für den Fortbestand der Gesellschaft in Hongkong unverzichtbar, doch ihre Existenz ist fast unsichtbar, ihre Stimmen werden an den Rand gedrängt, und ihre Anliegen werden ignoriert. Wir sprachen mit der FADWU über ihre Kampagnen zum Schutz der Rechte von Hausangestellten. (...)
ALR sprach kürzlich mit An An, der Organisationssekretärin der Hong Kong Federation of Asian Domestic Workers Unions (FADWU) in Hongkong. Die FADWU, ein Gewerkschaftsverband, der sich aus Gewerkschaften für einheimische und zugewanderte Hausangestellte verschiedener Nationalitäten zusammensetzt, unterstützt die Organisierung von Hausangestellten und setzt sich für politische Veränderungen ein. (...)
ALR: Warum stellt Hongkong so viele ausländische Hausangestellte ein?
FADWU: Ausländische Arbeitskräfte werden immer billiger. Das Mindesteinkommen eines Haushalts, das für die Einstellung einer ausländischen Hausangestellten erforderlich ist, liegt bei 15.000 HKD und hat sich seit den 1970er Jahren nicht verändert, was im Vergleich zum Wirtschaftswachstum des letzten halben Jahrhunderts irrsinnig ist.  (...)
ALR: Ich möchte auch fragen, wie es Hausangestellten unter COVID-19 ergangen ist. Ich weiß, dass es viele Probleme gab, mit denen Hausangestellte konfrontiert waren, aber eines der Probleme war offensichtlich, dass sie 24 Stunden am Tag bei ihren Arbeitgebern leben und oft kein eigenes Zimmer haben.
FADWU: Wie die Arbeitskräfte behandelt werden, hängt ganz von den Arbeitgebern ab. In einigen Fällen geben die Arbeitgeber den Angestellten die Schuld daran, dass sie das Virus mit nach Hause bringen. Aber in Wirklichkeit sind es die Arbeitgeber, die jeden Tag nach draußen gehen, öffentliche Verkehrsmittel benutzen, sich mit Menschen treffen und sich mehr Risiken aussetzen als die Hausangestellten. Aber wenn die Arbeiterinnen krank wurden, wurden sie gekündigt und obdachlos oder an ungeeigneten Orten wie einem Auto in Quarantäne gesteckt.
Viele schwerwiegende Formen der Diskriminierung, denen Wanderarbeiter:innen während COVID-19 ausgesetzt sind, werden von der Regierung verursacht: Die Aufforderung des Ministers für Arbeit und Soziales, Hausangestellten nicht zu erlauben, sonntags auszugehen, was de facto eine Aufforderung an die Arbeitgeber war, ihnen das Recht auf einen freien Tag zu verweigern; die plötzliche Einführung eines obligatorischen Abstrichs und einer Impfung am 1. Mai 2021; mehrere öffentlichkeitswirksame, massive Aktionen, bei denen Parks und Orte durchsucht wurden, an denen sich Hausangestellte sonntags aufhielten, und Geldstrafen gegen sie verhängt wurden beim Nichttragen von Masken (...). Es herrscht das von der Regierung geschaffene Gefühl, dass die Hausangestellten Träger des Virus seien. (...)
ALR: Ich möchte auch nach den Organisationen für Wanderarbeiter fragen. In Hongkong gibt es Gewerkschaften für Hausangestellte, von denen einige dem FADWU angeschlossen sind. Wie sieht es mit ihrer Organisierungsarbeit aus? Wie viele Hausangestellte mit Migrationshintergrund sind in diesen Gewerkschaften organisiert?
FADWU: Die 2010 gegründete FADWU hat sechs Mitgliedsgewerkschaften, die nach Nationalitäten organisiert sind, darunter philippinische, indonesische, thailändische, nepalesische und einheimische. Insgesamt sind mehr als 600 Hausangestellte in der FADWU organisiert, was angesichts der Gesamtzahl der Hausangestellten in Hongkong nicht viel ist.
Viele Arbeiterinnen und Arbeiter schließen sich jedoch anderen Organisationen an, z. B. kirchlichen und anderen Gemeinschaftsorganisationen. Und unter Covid-19 hatten viele Arbeiterinnen und Arbeiter keinen freien Sonntag, so dass es für uns sehr schwer ist, sie zu organisieren. Die Regeln zur sozialen Distanzierung machten es noch schwieriger.
ALR: Ich frage mich, warum es so schwierig ist, Arbeitnehmer in Gewerkschaften zu organisieren.
FADWU: Wenn wir sie ansprechen und ihnen erklären, was eine Gewerkschaft ist und welche Vorteile sie bringt, sind einige von ihnen interessiert, und dann (...) halten wir den Kontakt, bis sie sich für einen Beitritt entscheiden. Manche kommen auch zu uns, um Hilfe zu bekommen, wollen aber nicht unbedingt der Gewerkschaft beitreten, da es um Geld geht. Die Mitglieder müssen einen Mitgliedsbeitrag entrichten, der je nach Gewerkschaft zwischen 5 und 10 HKD pro Monat liegt. Einige sind vorsichtig, wenn es darum geht, Geld zu zahlen. (...)

Asian Labour Review 19.9.2022

Aktuelle Aktionen (18.+25.9.2022):

Arbeitsmigranten protestieren für existenzsichernde Löhne!!!
Heute versammelten sich 6 Migrantenorganisationen der AMCB (Philippinen, Indonesien,  Thailand, Nepal) vor dem Arbeitsministerium HK (14 Bündnisse reichten Petitionsbriefe ein) und forderten einen Lohn zum Leben in Höhe von HK$ 6014. (via twitter)