December 5, 2021

Selbst der Tod bietet kein Entrinnen vor dem Kapitalismus

Eine Rezension des Films Coffin Homes (鬼同你住)

Selbst der Tod bietet kein Entrinnen vor dem Kapitalismus

Auszug aus einer Filmbesprechung von  Brian Hioe in "No Man is an Island" (Taiwan)

FRUIT CHAN'S Coffin Homes (鬼同你住) wird auf den internationalen Filmfestivals kaum Erfolg haben. (...)
Der Film könnte jedoch genau die Art von beißender komödiantischer Satire sein, die Hongkong in einer Zeit braucht, in der der Hongkongfilm aus politischen Gründen wohl immer mehr gesäubert wird. Und Coffin Homes schreckt nicht vor seinem eigentlichen Anliegen zurück.
Coffin Homes wird manchmal als eine Art Anthologie-Film beschrieben, was insofern zutrifft, als er sich auf eine Reihe von sich überschneidenden Handlungssträngen konzentriert. Einer folgt einem jungen Immobilienmakler, der versucht, ein "Geisterhaus", in dem zuvor ein Mord geschehen ist, an ahnungslose, abergläubische Kunden zu verkaufen. Eine anderer folgt dem Verwalter eines unterteilten "Sarghauses", in dem die Mieter in eine einzige Wohnung gepfercht wurden. Eine dritte Geschichte, die den Film eröffnet, aber am kürzesten ist, handelt von einer reichen Familie, die sich um ihr künftiges Erbe streitet und deren Matriarchin plötzlich stirbt und zu einem Zombie wird.
Das wirklich Subversive an diesem Film ist jedoch Fruit Chans Darstellung von Hongkong. Für Chan ist Hongkong so etwas wie ein kapitalistisches Fegefeuer, in dem nicht einmal die Toten sicher sind, in dem selbst die Toten in immer engeren Wohnblocks mit den Lebenden um Platz kämpfen und immer noch feilschen und feilschen, um das beste Geschäft zu machen. Dies erweist sich für alle Beteiligten als ein Kampf auf Leben und Tod, bei dem die Lebenden zum Kauf von "Geisterwohnungen" oder "Sargwohnungen" überredet werden müssen und die Toten nicht bereit sind, diese Räumlichkeiten zu räumen, nachdem sie darin ein elendes Leben geführt haben.
In dieser Hinsicht stellt die Weltsicht von Coffin Homes fast so etwas wie eine Welt ohne Leben und Tod dar. Nach dem Tod gibt es einfach noch mehr Tod, d.h. die kapitalistische Ausbeutung hört nicht auf. Dies wird in einer kulminierenden, blutigen und urkomischen Kampfszene zwischen einer Reihe von Geistern offenbar, in der sich die Figuren ständig gegenseitig umbringen und wieder auferstehen.
Auch vor dem Politischen schreckt Chan nicht zurück. Hongkong ist traditionell ein regionales Finanzzentrum, nicht nur wegen seiner internationalen Verbindungen, sondern auch wegen seiner viel gepriesenen Rechtsstaatlichkeit. Doch in einer Zeit, in der sich die politischen Freiheiten Hongkongs durch den chinesischen Einfluss zunehmend verschlechtert haben, hat Chan auch keine idealisierte Romantik für die Vergangenheit.
In einem überraschend starken Moment geht der Protagonist des Films, der Immobilienmakler Jimmy Lam, durch die verschiedenen Arten von "Sargwohnungen", die es in Hongkong über Generationen hinweg gegeben hat. So wie Chan Hongkong in seinem Film darstellt, war die Rechtsstaatlichkeit in Hongkong schon immer durch ihre Formbarkeit gekennzeichnet. Und um ein Hongkonger zu sein, muss man bereit sein, andere zu töten, zu hintergehen, auszutricksen und auszubeuten. (...)

Übersetzt aus No Man is an Island 30.11.2021