August 18, 2022

Filmkritik: “We Don’t Dance for Nothing”

Eine philippinische Arbeitsmigrantin in Hongkong als Protagonistin

Filmkritik: “We Don’t Dance for Nothing”

Tanz als Überlebensstrategie. Ein Unterhaltungsfilm mit subversiven Botschaften, findet Brian Hioe in seiner Kritik in No man is an Island:

Im Mittelpunkt von WE DON'T DANCE FOR NOTHING steht H, eine philippinische Arbeitsmigrantin in Hongkong in den Zwanzigern. Obwohl H ein eintöniges Leben als Hausangestellte führt, hofft sie, eines Tages aus Hongkong zu fliehen, um ihren Traum von einer Weltreise zu verwirklichen.
In der Zwischenzeit kocht und putzt sie für eine vierköpfige Familie und findet Erleichterung, indem sie jeden Sonntag mit anderen Arbeitsmigranten auf der Straße tanzt, die im Film als eine Art temporäre autonome Zone dargestellt wird - ein utopischer Raum, der kurzzeitig von Arbeitsmigranten bevölkert wird. (...)
Der Film spielt im Sommer 2019, und die Proteste, die damals Hongkong erschütterten, dienen als Hintergrund. Das ist heutzutage bei vielen Hongkong-Filmen der Fall, wahrscheinlich, um eine indirekte politische Aussage zu machen, ohne mit den Behörden in Konflikt zu geraten. Der Film suggeriert, dass Arbeitsmigranten eine vernachlässigte Größe im Freiheitskampf der Hongkonger sind. H fragt sich, wie viele junge Demonstranten sich ihre Mahlzeiten zu Hause von einer Wanderarbeiterin wie ihr kochen lassen, auch wenn sie mit ihrem Wunsch nach Freiheit sympathisiert und ihren Mut bewundert.
(...) Hs Chefin (...) kann anspruchsvoll und grausam zu H sein, indem sie ihr beispielsweise droht, ihren Urlaub zu streichen und sie wie eine Leibeigene behandelt. In anderen Momenten scheint Ma'am H als Teil ihrer Familie zu sehen und ist bereit, H ihre eigene Verletzlichkeit anzuvertrauen. Wong stellt beide Seiten desselben Charakters dar, ohne dabei karikaturhaft zu wirken. Die Chemie zwischen ihrer und Sibles Darstellung stimmt. Diese Chemie fängt die komplexe Dynamik ein, die bei Hausangestellten und den Familien, für die sie arbeiten, herrschen kann. Letzten Endes sind diese Arbeiterinnen und Arbeiter angeheuerte Hilfskräfte, was aber nicht bedeutet, dass sie keine starken Bindungen zu ihren Familien entwickeln können. Diese Bindungen verhindern jedoch nicht die brutale Ausbeutung.
(...) Es ist, als ob H sich der kapitalistischen Tristesse ihrer Umgebung widersetzt, indem sie die Welt durch Musik und Tanz verzaubert, und dabei die Zuschauer von We Don't Dance For Nothing in ihren Bann zieht.
Auch wenn das eher unbefriedigende Ende der moralischen und künstlerischen Komplexität des Films einen Bärendienst erweist, ist We Don't Dance for Nothing insgesamt ein gelungenes Aushängeschild der aktuellen Hongkong-Filmproduktionen und verdient mehr kritische Aufmerksamkeit.

No Man is an Island 13.8.2022