May 30, 2024

Gestapo-Razzia besiegelt Ende von Hamburgs Chinatown

Veröffentlichungen zu aktuellen Forschungen des Historikers Lars Amenda

Gestapo-Razzia besiegelt Ende von Hamburgs Chinatown
Im Zuge der internationalen Dampfschifffahrt entwickelt sich eine Arbeitsmigration, die zum ausgehenden 19. Jahrhundert  zunehmend auch Hamburg erfasst. Im Gebiet um die Schmuckstraße auf St. Pauli siedeln sich Chinesen an. Sie kommen als Seeleute, vornehmlich als Heizer auf Handelsschiffen, und bleiben als Wäscher, Köche, Kellner oder Restaurantbetreiber.
Chinesische Seeleute in Hamburg
(...) Am 13. Mai 1944 hört das Hamburger Chinatown auf zu existieren. 200 Beamte von Polizei und Gestapo verhaften bei der "Chinesenaktion" die verbliebenen 129 Bewohner, allesamt Männer. Der offizielle Vorwurf lautet "Feindbegünstigung": Die Chinesen sollen Landsleuten die Flucht aus Deutschland ermöglicht haben, welche anschließend auf britischen Handelsschiffen gearbeitet hätten.
Für die Verhafteten beginnt mit der Razzia ein Martyrium, bei dem sie misshandelt und in Zwangsarbeiterlager gesteckt werden. Mindestens 17 von ihnen überleben die Verletzungen und körperliche Ausbeutung nicht.

NDR 13.5.2024

Im Hamburger Chinesenviertel
Nach der Kriegserklärung Chinas an Nazi-Deutschland 1941 nahm die Verfolgung der Chinesen ein bedrohliches Ausmaß an. Dass sich deutsche Frauen auf chinesische Männer einließen und mit ihnen Kinder bekamen, habe schließlich die nationalsozialistische Rassenpolitik auf den Plan gerufen, erzählt der Hamburger Historiker Lars Amenda. (...)
Die "Chinesenaktion" wurde wie ein gewöhnlicher polizeilicher Vorgang behandelt und nicht als rassistisch motiviert anerkannt. Darin sieht Historiker Lars Amenda einen Fehler: "Anhand der Dokumente, die überliefert sind, lässt sich ganz klar erkennen, dass sich die Gestapo-Beamten als eine Art Rassekrieger empfunden haben und die NS-Rassenpolitik auch gegenüber den Chinesen durchsetzen wollten." Die "Chinesenaktion" nicht als Verfolgung anzuerkennen, habe die Opfer ein zweites Mal gedemütigt.

NDR 13.05.2024

Die beiden TV Beiträge des NDR sind relativ kurz, doch sehenswert.

Der Historiker Lars Amenda ist Co-Autor eines Buches,

das im Rahmen des Projekts „Hamburg dekolonisieren“ entstand.

Das Buch Chinesische Communitys in Hamburg behandelt die Geschichte und Wahrnehmung chinesischer Migrant*innen in Hamburg vom Kaiserreich bis heute. Dieses Buch ist frei zugänglich (Open Access) als PDF Datei. (Zweisprachig)

Das Chinesenviertel Hamburgs war bereits 2021 hier im Blog Thema.