»Partei und Bürokratie bilden eine Klasse«
Interview über Chinas Klassengesellschaft und Arbeitswelt
Was bedeutet »Klasse« in China? Darüber sprach Peter Franke mit vier Aktivist*innen und Forscher*innen aus zwei Generationen. TM (♀) und XH (♂) unterstützten als Studierende in den 2010er-Jahren die Kämpfe von Arbeiter*innen im Perlflussdelta in Südchina und forschen weiterhin dazu. XH hat selbst einige Zeit in der Fabrik gearbeitet. May (♀) engagiert sich schon seit dem Ende der 1990er-Jahre für die Unterstützung von Arbeitsmigrant*innen im Perlflussdelta. Sie arbeitete eng mit zehn Hongkonger Arbeitsrechtsgruppen und Gewerkschaften sowie NGOs in Europa zusammen. Dabei organisiert sie internationale Solidarität und Kampagnen zur Unterstützung von Arbeitskämpfen. Au (♂) setzt sich seit den 1970er-Jahren für Demokratie und Selbstorganisation in Hongkong und auf dem chinesischen Festland ein. Er ist linker Kritiker der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und veröffentlicht regelmäßig auf dem taz-Blog china watch. May und Au lebten bis 2021 in Hongkong und sind nun im Exil in England. Das Interview führte Peter Franke
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Au: In Maos China gab es laut offizieller Propaganda nur zwei Klassen, die Arbeiterklasse und die Klasse der Bauern sowie zusätzlich die Schicht der Intellektuellen. Die Bürokratie wurde dabei absichtlich ausgelassen. (...) Das China unter Deng (1979-1997) und nach Deng ist in vielerlei Hinsicht ein Bruch mit Maos China. Aber es ist nur ein Bruch in Bezug auf das Wirtschaftssystem, in dem die Sozialistische Marktwirtschaft die frühere Planwirtschaft ersetzte. In Bezug auf das politische System gibt es zwischen den beiden Epochen eine Kontinuität. Die Sozialistische Marktwirtschaft wurde nach Deng in die Einparteiendiktatur integriert. Diese seltsame Kombination verleiht der Bürokratie noch mehr Macht. (...)
XH: Chinas Bauernklasse ist nach wie vor eine marginalisierte Gruppe in der Gesellschaft. Die landwirtschaftlichen Tätigkeiten reichen bei Weitem nicht aus, um einen Lebensunterhalt zu bestreiten. Viele gehen deshalb in die Städte und werden Arbeitsmigrant*innen. Diese Gruppe trägt wesentlich zur Urbanisierung Chinas bei. Aber sie ist nicht durch die städtische Sozialfürsorge abgesichert. De facto sind Arbeitsmigrant*innen Bürger*innen zweiter Klasse. (...)
TM: Es ist allgemein bekannt, dass die chinesischen Mächtigen und Reichen ein enormes Vermögen angehäuft haben. Sicher, auch die arbeitenden Menschen in China erlebten in den letzten Jahrzehnten dank des rasanten Wirtschaftswachstums eine Einkommenssteigerung. Trotzdem ist die Einkommensungleichheit in die Höhe geschnellt. Bemerkenswert ist der Einkommensunterschied zwischen der städtischen und der ländlichen Bevölkerung. Das Einkommensgefälle hat sich seit den 1980er-Jahren kontinuierlich vergrößert. Das Durchschnittseinkommen in städtischen Gebieten ist etwa dreimal so hoch wie in ländlichen Gebieten. (...)
Das vollständige Interview würde vom Magazin iz3w veröffentlicht.