March 16, 2024

Rekordstreik bei chinesischem Konzern in Sachsen

Der längste Streik in der Geschichte der IG Metall

Rekordstreik bei chinesischem Konzern in Sachsen

China-Experte nennt Verhalten von Scholz Recycling untypisch

(...) Stefan Schmalz, China-Experte und PD an der Uni Erfurt, beurteilt das Verhalten des chinesischen Eigentümers als eher untypisch: „Wir haben in einem Forschungsprojekt im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 294 „Strukturwandel des Eigentums“ an der Universität Erfurt chinesische Übernahmen untersucht. Dabei haben wir festgestellt, dass die meisten chinesischen Anleger eher kompromissbereit sind gegenüber Vertretungen von Arbeitnehmern, also Betriebsräten, und nur selten Probleme mit der Mitbestimmung oder Tarifverträgen haben.“
Und weiter: „Grundsätzlich hat Hongkong in der chinesischen Wirtschaft eine spezielle Funktion, weil es ein Finanzplatz ist. Historisch ist es so, dass Hongkong bei vielen Investitionen wie eine Drehscheibe für Finanzströme ins Ausland funktioniert hat. Unternehmen, die in Hongkong angesiedelt sind und dort arbeiten, funktionieren dann auch nach anderen Regeln wie in Festland-China. In China gibt es eine Vielfalt von Unternehmen mit unterschiedlichen Eigentumsformen: staatseigene Unternehmen, gemischte Eigentumsformen und private Unternehmen, die aber deutlich unabhängiger agieren. Doch selbst bei den privaten Unternehmen existiert immer noch ein großer Staatseinfluss. In Hongkong finden wir hingegen Ausprägungen des westlichen Finanzmarktkapitalismus, die man sonst in China nicht so stark findet.“
Verhandlungsführer Michael Hecker findet das Verhalten der chinesischen Eigentümer skandalös. (...) In Wirklichkeit hat die Scholz Recycling GmbH dem örtlichen Geschäftsführer der SRW bereits im August 2023 die Legitimation entzogen, mit der IG Metall Tarifverhandlungen zu führen oder gar diesbezüglich Angebote abzugeben. Anders lautende Aussagen sind eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit.“

IGM Leipzig 1.3.2024

Schrott in der Lohntüte

Gregor Gysi knöpft sich China vor. Der Bundestagsabgeordnete der Linken, der sich in deren parlamentarischer Gruppe um die Außenpolitik kümmert, will mit der Berliner Botschaft des großen Landes in Fernost Kontakt aufnehmen. Außerdem will er sich an die Geschäftsführung eines chinesischen Großkonzerns wenden: der Chiho Environmental Group Limited, die in Hongkong ansässig und nach eigenen Angaben das weltweit größte börsennotierte Unternehmen der Recyclingbranche ist. Gysi will dort auf die Nöte von 180 Beschäftigten in einer sächsischen Tochterfirma namens SRW metalfloat aufmerksam machen, die für bessere Arbeitsbedingungen streiken, aber kein Gehör beim Management finden. »Ich werde mich dafür einsetzen, dass ihr wieder an den Verhandlungstisch kommt«, versprach der Linke-Politiker den Arbeitern: »Gespräche sind das Mindeste.« (...)
Das gilt um so mehr, als Espenhain eigentlich eine »Cashcow« für das Unternehmen ist, eine Niederlassung also, die überdurchschnittlich zu Umsatz und Gewinn beiträgt. Nach Angaben der IG Metall erwirtschaftet SRW metalfloat von den 1,6 Milliarden Euro Gesamtumsatz der Scholz-Gruppe satte 22 Prozent. Rechnerisch entspreche das einem Jahresumsatz von zwei Millionen Euro je Beschäftigtem. Als die Zahlen in der Belegschaft bekannt wurden, riss manchem die Hutschnur. Betriebsrat Schröder sagt: »Es ist eine Schande, dass sie uns bei derartigen Umsätzen so klein halten.« So, wie es jetzt aussieht, wird das auch in Zukunft nicht mehr gelingen.

ND 1.3.2024

Rekordstreik in Espenhain: Über 4 Monate Arbeitskampf und die Firma verhandelt noch immer nicht

Noch nie haben Beschäftigte der Metallindustrie so lange gestreikt wie jetzt in Espenhain. Selbst Sachsens Ministerpräsident blitzt im Bemühen um Vermittlung bei Arbeitgebern ab.

Sächsische Zeitung 13.3.2024

Der längste Streik in der Geschichte der IG Metall

Im sächsischen Espenhain streiken die Mitarbeitenden einer Recyclingfirma seit mehr als vier Monaten. Laut IG Metall ist das der längste Streik in der Geschichte Deutschlands. Ein Ende ist nicht in Sicht.
SRW ist eine Tochterfirma von "Scholz Recycling" aus Baden-Württemberg. 2016 wurde das damals angeschlagene Unternehmen von Chiho-Tiande aus China gekauft. Im März vergangenen Jahres traten die Mitarbeitenden mit ihren Forderungen an die Geschäftsführung heran. Zu richtigen Verhandlungsgesprächen kam es laut IG Metall jedoch nie. Nach einer Ur-Abstimmung stimmten 89,3 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder bei SRW für einen unbefristeten Streik. Seit dem 8. November stehen sie jetzt vor den Werkstoren.
Der chinesische Firmeninhaber schweigt, heißt es. "Wir haben ihn mehrmals angeschrieben. Wir haben es mehrmals über verschiedene Kanäle versucht und deutlich signalisiert: Wir sind an einer Lösung interessiert", sagt Hecker. Die IG Metall wirft dem Unternehmen vor, Gespräche zu verweigern.
Ein vom Unternehmen eingesetzter Sprecher teilt auf Nachfrage mit, es habe ein Angebot gegeben, das den Forderungen der Gewerkschaft weitgehend entsprochen habe. Dieses sei abgelehnt worden. Das Unternehmen sei bereit, mehr Lohn zu zahlen. Eine 37,5-Stunden-Woche bei vollem Entgeldausgleich sei "für 80 Prozent der Mitarbeitende bereits Realität". Abgelehnt werde der Tarifvertrag. Doch der ist die Kernforderung der Streikenden.
Rekordstreik und kein Ende in Sicht
Vier Monate wird jetzt schon durchgehend gestreikt. 24 Stunden pro Tag, sieben Tage die Woche. Völlig still stehen die Anlagen bei SRW deshalb nicht. Von den 196 Mitarbeitenden streiken nur etwa 90, heißt es aus dem Unternehmen. Es gibt Streikbrecher, sagt Michael Hecker von der IG Metall: "Unter anderem auch Kolleginnen und Kollegen, die befristete Verträge haben." Der Arbeitgeber habe von Beginn an die Ansage erteilt: Wer sich von den Befristeten am Streik beteilige, dessen Vertrag werde nicht verlängert. Das sei natürlich ein Druckmittel. (...)
Durch den Streik sei die Gemeinschaft noch enger geworden, findet Ronny Wölk, der sich mit einer Tasse Kaffee dazu gesetzt hat. "Ich meine: Reingehen ist auf jeden Fall keine Option mehr." Als er das sagt, stimmen nacheinander alle mit ein: "Auf keinen Fall. Auf keinen Fall. Wir ziehen das durch!" (...)

Tagesschau 14.3.2014

Wir haben bereits im Dezember über diesen Arbeitskampf berichtet.