February 10, 2023

Renitente Rentner

Pulverfaß Renteneintrittsalter und Rentenzahlung

Renitente Rentner

Die Rentenfrage ist in Frankreich der Ausgangspunkt von Protesten, an denen sich Millionen beteiligen. Auch für China haben Fachleute die Rentenfrage zu einer "tickenden Zeitbombe" für die Chinesische Regierung erklärt. Die Chinesiche Kultur ist im Wandel. Der Chinesischen Jugend ist die Motivation abhanden gekommen, in die Produktion zu gehen, wie ihre Eltern. Sie erwarten kaum Aufstiegschancen, sondern ein tristes Leben und suchen nach individuellen Auswegen. Die Frauen befinden sich in einem Gebärstreik und weder die Abschaffung der Einkindpolitik, noch die der Zweikindpolitik, noch ökonomische Vorteile konnte sie davon abbringen. China gehört laut WHO zu den am schnellsten alternden Nationen. Der Versuch, die Privatisierung des Rentenmarkts  nach westlichen Vorbild voranzutreiben und internationale Investoren zu werben, wird die Problematik nicht lösen, sondern verschärfen. Die Angebote, im Rentenalter etwas hinzu zu verdienen, kamen nicht gut an. Versuche von Rentenkürzungen durch die Hintertür, führten zu Massenprotesten.

Für Chinas Wanderarbeiter bringt der Ruhestand oft mehr Arbeit mit sich

Da sie vom Sozialversicherungssystem ausgeschlossen sind, müssen chinesische Wanderarbeiter bis weit in ihre 60er und 70er Jahre hinein schwerste Arbeiten verrichten.
"Ruhestand?" Als Xia Zengming das Wort hört, lacht er. "Dieses Konzept gibt es in meiner Heimatstadt nicht."
Der 66-Jährige arbeitet als Arbeiter im Innenausbau in Shanghai. Es ist ein körperlich anstrengender Job: Normalerweise arbeitet er mehr als 12 Stunden am Tag und schiebt schwere Keramikfliesen und Holzplatten durch staubige, unfertige Wohnungen.
Um Geld und Zeit zu sparen, wohnt Xia in den Häusern, die er dekoriert. Nach getaner Arbeit legt er sich oft auf den Boden und schläft. Xia weiß, dass er diesen intensiven Arbeitsstil nicht mehr lange aufrechterhalten kann. Aber er will so lange weitermachen, wie er kann. Er hat das Gefühl, dass er keine andere Wahl hat.
Millionen von chinesischen Wanderarbeitern befinden sich in der gleichen Situation. Seit Jahrzehnten ist ihre Arbeit die treibende Kraft der chinesischen Wirtschaft. Doch wenn sie das Alter erreichen, sind nur wenige in der Lage, einen komfortablen Ruhestand zu genießen.
In Chinas Großstädten können registrierte Arbeiter mit 60 Jahren in den Ruhestand gehen und eine anständige Rente beziehen. In Shanghai erhalten Rentner mindestens 4.000 Yuan (575 Dollar) im Monat, viele sogar bis zu 10.000 Yuan.
Wanderarbeiter sind jedoch oft von diesem System ausgeschlossen. Da sie offiziell als Teil der Landbevölkerung eingestuft werden, haben sie nur Anspruch auf die mageren Sozialversicherungsleistungen, die in ihren Heimatstädten gezahlt werden. Diese reichen selten auch nur annähernd zum Leben aus.
Das Ergebnis ist ein klaffendes Land-Stadt-Gefälle. Landesweit wollen etwa 40 % der chinesischen Senioren nach Erreichen des offiziellen Rentenalters weiterarbeiten, so eine Studie der Universität Peking aus dem Jahr 2019. In ländlichen Gebieten ist die Quote jedoch weitaus höher: Fast 80 % der Männer zwischen 60 und 64 Jahren sind erwerbstätig, und selbst bei den über 80-Jährigen liegt die Erwerbsquote bei 20 %. (...) Nahezu die Hälfte der Arbeiter des Landes ist heute über 40 Jahre alt.
In der Industrie von Xia ist der Trend sogar noch extremer. Laut einem Bericht aus dem Jahr 2021 stammen über 97 % der chinesischen Arbeiter im Innenausbau aus ländlichen Gebieten, und die Mehrheit ist mittleren Alters oder älter. Die größte Altersgruppe stellen die in den 1960er Jahren Geborenen dar.
Im Moment fungieren alternde Migranten wie Xia als Pflaster für die Wirtschaft und verschleiern das ganze Ausmaß des wachsenden Arbeitskräftemangels. Doch irgendwann werden sie aufhören müssen zu arbeiten. Und wenn sie das tun, wird die nächste Generation die schlechten Arbeitsbedingungen, die sie so lange ertragen haben, wahrscheinlich nicht akzeptieren. (...)

sixth tone 27.1.2023

Zehntausende Rentner versammelten sich am Mittwoch (8.2.)  in Wuhan vor der Stadtverwaltung, um eine Petition an die Regierungsbeamten zu richten, damit diese öffentlich erklären, warum die monatliche medizinische Beihilfe von mehr als 260 Yuan auf einige zehn Yuan reduziert wurde. Die Demonstranten sagten, dass fast zwei Millionen Rentner in der Stadt davon betroffen seien und dass sie am 15. dieses Monats einen noch größeren Protest veranstalten würden, wenn die Regierung das Problem nicht löse.

RFA 8.2.2023

Demonstrierende Rentner stimmen die Internationale an:

Update vom 18.2.2023

Obwohl der nächste Protest am 15.2. stattfinden sollte, protestierten kleinere Rentnergruppen bereits vorher vor der Lokalregierung.

Die Behörden versuchten den Protest am 15.2. zu verhindern, indem sie die U-Bahnstationen und Busbahnhöfe in der Nähe der geplanten Kundgebung schlossen. Trotzdem sammelten sich wieder tausende Rentner auf dem Platz:

Die Unzufriedenheit der Rentner ist kein lokales Phänomen.

Am 16.2. protestierten Zehntausende in Dalian und auch hier wurde die Internationale gesungen: