July 11, 2023

Keine Ruhe im Land (Teil 1)

Die Jugend, die Feministinnen und die Arbeiter

Keine Ruhe im Land (Teil 1)

Die Chinesische Regierung hat es trotz Überwachung, Zensur und Repression mit einer Vielzahl von Unruheherden zu tun.

Die Unzufriedenheit der Jugend sorgt für Verweigerungshaltungen und Proteste. Es rumohrt nicht nur an Universitäten, auch an den Schulen manifestiert sich Unzufriedenheit. Das größte Ausbildungsprogramm der Welt, mit dem die Chinesische Regierung die sich umstrukturierende Wirtschaft mit passenden Arbeitskräften versorgen will, trifft auf junge Menschen, die sich kein Leben vorstellen wollen, das größtenteils in Fabriken oder der IT-Wirtschaft stattfindet. Und selbst solche Jobs sind nur begrenzt zu finden.

Während Chinas Wirtschaft nicht aus der Krise kommt, stößt das Regime an seine Grenzen. Ein halbes Jahr nach Ende der desaströsen Null-Covid-Politik steigt die Arbeitslosigkeit. Die Hochschulabsolventen, deren Zahl zum ersten Mal die der Geburten übersteigt, sollten ihre Träume vom sozialen Aufstieg beerdigen und stattdessen die „Ärmel hochkrempeln“ und „die Felder beackern“, gibt der Staat als Losung aus. Mehr als jeder Fünfte zwischen 16 und 24 Jahren ist ohne Stelle. Den Akademikern ruft die Regierung zu, sie dürften sich zum Wohle der Nation nicht zu schade für die Arbeit als Müllfahrer sein.

schreibt die FAZ am 12.6.2023

und die Süddeutsche ergänzt:

Jahrelang versprach man ihnen, wer brav studiert und hart arbeitet, wird eine gute Zukunft haben. Das war der Deal zwischen der Partei und der Jugend Chinas. Aber jetzt stehen Millionen da, ohne Job, ohne Perspektive. Und Xi Jinping? Sagt, sie sollen erst mal „Bitterkeit essen“.

Süddeutsche 20.6.2023

Die Feministische Bewegung wird von der Kommunistischen Partei als permanentes Problem wahrgenommen. Die #MeToo Bewegung sorgt für Unruhe im Bildungssystem, in den Medien und den Fabriken. Der Geburtenstreik konnte weder von der Aufhebung der Einkind-, dann der Zweikindpolitik, noch einem längeren Mutterschaftsurlaub beendet werden. Das Selbstbewußtsein und die überregionale Vernetzung der Feministinnen empfindet die KPCh als Bedrohung.

Radfahrerin will die traditionelle Frauenrolle nicht akzeptieren

Die Unruhe in der Arbeitswelt ist wieder auf hohem Niveau und beschränkt sich nicht einen bestimmten Sektor. Sie betrifft Bauindustrie, Produktion, Gesundheitswesen, Dienstleistung und die IT Branche. Die Plattformwirtschaft sollte besonders erwähnt werden, weil China über die weltweit größte Gig-Economy verfügt. Die bisherigen staatlichen Eingriffe haben Konflikte in der Branche nicht beenden können.

Die Streiks in chinesischen Fabriken haben einen Sieben-Jahres-Höchststand erreicht und werden voraussichtlich noch häufiger werden, da die schwache weltweite Nachfrage die Exporteure dazu zwingt, die Löhne der Beschäftigten zu kürzen und Fabriken zu schließen, so eine Menschenrechtsgruppe und Wirtschaftsexperten.

berichtet Reuters am 15.6.2023

Aus den Meldungen über Arbeitskämpfe:

Tangshan Delong Steel Co Ltd (...) ist ein großes Werk mit mehr als 3.000 Beschäftigten. Einige haben in den sozialen Medien erklärt, dass viele von ihnen seit mehr als zehn Jahren in dem Werk arbeiten und etwas für das Werk empfinden, dass sie mit dem Abfindungspaket, mit dem ihre Betriebszugehörigkeit aufgekauft werden soll, nicht einverstanden sind, dass es jetzt nicht leicht ist, einen Arbeitsplatz zu finden, und dass sie ihre Rechte verteidigen wollen.

Arbeiter von Tangshan Delong Steel fordern eine hohere Abfindung

CLB via twitter

Arbeiter streiken in Küchengerätefabrik in Shenzhen und fordern Löhne und Sozialleistungen nach angekündigter Schließung

Streikposten bei Sundairy Xin'an Electrics 
Nach dem Streik vom 8. Mai bestätigte das CLB, dass die Leistungen der Sozialversicherung und des Wohnungsvorsorgefonds nicht gezahlt worden waren, was einen Verstoß gegen das nationale Arbeitsrecht darstellt.
Sundairy Xin'an Electrics verfügt über eine Betriebsgewerkschaft, die jedoch seit der angekündigten Schließung des Werks weder Maßnahmen zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen ergriffen noch die Unterstützung lokaler Gewerkschaftsstrukturen in Anspruch genommen hat.
Die in Hongkong ansässige Muttergesellschaft Simatelex ist Mitglied der Responsible Business Alliance, die sich auf einen Verhaltenskodex stützt, der die Einhaltung der inländischen Gesetze vorschreibt und grundlegende Arbeitsrechte garantiert. (...)
Die verschiedenen internationalen Marken, die bei Simatelex einkaufen - darunter Keurig, Cuisinart und Philips - haben jeweils Garantien für die Einhaltung der inländischen Arbeitsgesetze und die Nachhaltigkeit der Lieferanten abgegeben. (...)
Offener Brief der Arbeiter an die Lokalregierung
Simatelex erhielt auch Zertifikate vom TÜV SÜD, einem deutschen technischen Prüfunternehmen, das auf seiner Website auf das kürzlich verabschiedete deutsche Gesetz über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen in Lieferketten verweist und verkündet: "Es geht nicht nur darum, Unternehmensrisiken zu reduzieren, sondern auch darum, Verantwortung für die Menschen in der Lieferkette zu übernehmen." (...)

CLB 7.6.2023

Der Kampf der Lalamove Trucker

Im November letzten Jahres streikten Huolala-Fahrer (Lalamove) in ganz China, was das Verkehrsministerium dazu veranlasste, die Plattformunternehmen zu ermahnen, die Rechte der Arbeitnehmer zu achten. Doch am 8. Mai 2023 streikten die Huolala-Fahrer erneut, was zeigt, dass sich die Arbeitsbedingungen nicht verbessert haben.
Nachdem die Fahrer in Chengdu in den Streik getreten waren, zeigten Huolala-Fahrer im ganzen Land online ihre Unterstützung, wie es auch im November letzten Jahres geschah. Am 12. Mai beteiligten sich dann Hunderte von Huolala-Fahrern im nahe gelegenen Chongqing an dem Streik, versammelten sich persönlich und zogen die Aufmerksamkeit der örtlichen Polizei auf sich. Am 26. Mai versammelten sich in Liaocheng in der Provinz Shandong Dutzende von Huolala-Fahrern, um für ihre Lohnbedingungen zu streiken.
Der Fall eines Lkw-Fahrers, der Mitarbeiter von Huolala erstach und tötete, nachdem das Unternehmen ihm seine Kaution nicht zurückgegeben hatte, zeigt die Intensität des Problems. (...)

CLB 21.6.2023