Wirtschaftsboom und Armut
Das Journal für Internationale Politik und Gesellschaft untersucht die wirtschaftlichen Entwicklungen des Landes

Die Einordung der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen Chinas folgt oft der eigenen politischen Ausrichtung. Hilfreich ist ein Abgleich mit harten Fakten und belegbaren Zahlen. Die Zeitschrift für Internationale Politik und Gesellschaft IPG Journal liefert dazu aktuelle Daten:
Die zwei Seiten des chinesischen Wirtschaftswachstums
Trotz der phänomenalen wirtschaftlichen Aufholjagd in den letzten vier Jahrzehnten bleibt China ein armes Land
...die zentrale Erkenntnis ist hier, dass China trotz des phänomenalen Wachstums seines BIP in den vergangenen vier Jahrzehnten auch weiterhin ein armes Land bleibt. 2019 betrug Chinas BIP pro Kopf 8 242 US-Dollar. Damit liegt das Land zwischen Montenegro (8 591 US-Dollar) und Botsuana (8 093 US-Dollar). Sein BIP pro Kopf nach Kaufkraftparität – das heißt nach Bereinigung des Einkommens unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten – betrug 16 804 US-Dollar. Dies liegt unter dem weltweiten Durchschnitt von 17 811 US-Dollar, und China belegt damit den 86. Platz in der Welt, zwischen Surinam (17 256 US-Dollar) und Bosnien und Herzegowina (16 289 US-Dollar). Im Gegensatz dazu beträgt das BIP pro Kopf nach Kaufkraftparität in den USA und der EU 65 298 bzw. 47 828 US-Dollar.
Um das Ausmaß der Armut in China zu begreifen, müssen wir uns zudem den Grad der Ungleichheit innerhalb seiner großen Bevölkerung vergegenwärtigen. Die Ungleichheit in China (gemessen durch den Gini-Koeffizienten) ähnelt der in den USA und Indien. Da China eine Bevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen hat, bedeutet das, dass noch immer hunderte von Millionen Chinesinnen und Chinesen in Armut leben.
Laut Angaben der chinesischen Regierung haben 600 Millionen Menschen ein monatliches Einkommen von knapp 1 000 Yuan (155 US-Dollar). Das entspricht einem Jahreseinkommen von 1 860 US-Dollar. 75,6 Prozent dieser Menschen leben in ländlichen Gebieten. Um die Reihen der weltärmsten Länder zu verlassen, muss China die Einkommen einer Bevölkerung von der Größe jener Subsahara-Afrikas und mit ähnlichem Durchschnittseinkommen (Subsahara-Afrika: 1 657 US-Dollar) erheblich steigern. Und die chinesische Regierung weiß, dass sie das tun muss, um sich die Unterstützung der Bevölkerung zu erhalten.
Der deutschprachige Bericht des Magazins ist hier nachzulesen.
Der letzte Absatz des Textes sei hier noch zitiert:
Für einen effektiven Dialog mit China sollten sich andere Länder an Folgendes erinnern: Im Gegensatz zum ersten Eindruck ist das Land kein wirtschaftlicher Monolith. Hinter dem weltweit zweithöchsten BIP verbergen sich hunderte von Millionen Menschen, die einfach nur der Armut entkommen möchten.