Es herrscht Angst in Hongkongs Lehrerzimmern - Interview mit einem Lehrer

Nach anhaltenden Beschuldigungen der LehrerInnen Gewerkschaft Hong Kong Professional Teacher's Union (HKPTU) als Vaterlandsverräter durch Presseorgane der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) teilte nach 48 Jahren* Bestehen der Gewerkschaft am 10. August ihr Vorstand den 95.000 Mitgliedern den Beschluss zur Auflösung mit. Auf dem Hintergrund des am 30. Juni 2020 in Beijing erlassenen Nationalen Sicherheitsgesetz für Hongkong sah der Vorstand „keinen Weg mehr in die Zukunft“.

Susanne Wycisk, GEW-Mitglied in Bochum, sprach mit einem Kollegen einer weiterführenden Schule, der seit 21 Jahren Englisch und Mathematik unterrichtet und seit dieser Zeit Gewerkschaftsmitglied war, über seine Beobachtungen und Eindrücke an Hongkonger Schulen.

An seiner fünf-zügigen Schule gibt es sechs Klassenstufen mit durchschnittlich 30 SchülerInnen pro Klasse. Sie haben laut Stundenplan 45 Unterrichtsstunden in der Woche. LehrerInnen an weiterführenden Schulen in Hongkong unterrichten durchschnittlich 26-28 Unterrichtsstunden von jeweils 35 Minuten an fünf Tagen in der Woche. Wegen der Pandemie sind die Stunden zur Zeit auf 25 Minuten gekürzt.

 

Wir würden gerne genauer wissen, wie die politische Situation Ihren Arbeitsalltag als Englisch- und Mathematiklehrer in der Schule beeinflusst – möglicherweise anders als im Fach „liberal studies“.

Um ehrlich zu sein, betrifft mich das nicht, weil ich Mathematik unterrichte, obwohl die Regierung von uns verlangt, in jedem Fach, einschließlich Mathematik, ein Element der „nationalen Sicherheitserziehung“ hinzuzufügen. Interessanterweise kam letzten Freitag ein Beamter der Bildungsbehörde in unsere Schule, um zu erklären, was wir tun müssen, um die nationale Sicherheit im Unterricht umzusetzen. Wir Mathematiklehrer fragten ihn, wie wir dieses Element in die Mathematik integrieren können. Er sagte, sie würden später Richtlinien ausarbeiten. Wir bräuchten uns keine Sorgen zu machen.

Ich muss jedoch darauf hinweisen, dass Schulen im Sinne der „nationalen Sicherheit“ zu bildungsfeindlichem Vorgehen verpflichtet sind. Ein Beispiel dafür ist die Zensur der Bücher in Schulbibliotheken. Jede öffentliche und von der Regierung subventionierte Schule in Hongkong muss ein „Bildungskomitee zur Nationalen Sicherheit“ (National Security Education Committee) einrichten. Sie müssen der Bildungsbehörde berichten, was sie getan haben und vorhaben, um die Bildung zur Nationalen Sicherheit in der Schule umzusetzen. So z.B. Bücher aus der Schulbibliothek zu entfernen, die als Bedrohung für die nationale Sicherheit angesehen werden könnten, sowie die Anzahl der entfernten Bücher der Bildungsbehörde zu melden. Bücher, die kritisch über den chinesischen Nationalismus, die Kulturrevolution, die Bewegung vom 4. Juni 1989, die Regenschirmbewegung 2014, den Massenprotest 2019 berichten oder diese kommentieren, wurden aus den Bücherregalen entfernt. Ebenfalls sind Bücher von Autoren, die von der Behörde strafrechtlich verfolgt oder von Pekings Sprachrohren kritisiert wurden, entfernt worden. Bibliothekare wissen, dass sie keine Bücher mit auch nur entferntem Bezug zu diesen Themen kaufen sollen. Diese erklärtermaßen „verbotenen Bücher“ werden wahrscheinlich nie mehr von Schülern und Lehrern in Schul- und öffentlichen Bibliotheken zu sehen sein. Es bleiben nur diejenigen in den Bücherregalen, die dem offiziellen Verständnis der chinesischen Kultur und Geschichte entsprechen. Die Strategie der Behörde besteht offensichtlich darin, die Erinnerungen und das Verständnis der Menschen an die Vergangenheit zu verzerren oder auszulöschen und sie so durch die offiziellen Narrative zu ersetzen. Bildung sollte bewusstseinserweiternd und befreiend sein, doch nun will die Behörde im Namen der „Nationalen Sicherheit“ die Gedanken von Lehrern und Schülern auf den offiziellen Rahmen beschränken.

Die Bildungsbehörde hat nicht im Detail erklärt, was Sie konkret als Lehrer tun sollen?

Sie erklärten allen Lehrern ausführlich, was in jedem Fach zu tun sei. Aber ehrlich gesagt ist es ziemlich albern. Sie sagten uns, dass das, was wir getan haben, bereits mit der Idee der Nationalen Sicherheit zu tun hat. Wenn wir zum Beispiel über chinesische Literatur sprechen, ist sie Teil der kulturellen Essenz Chinas, also ist sie bereits mit der „kulturellen Sicherheit“ verbunden, die Teil der Idee der Nationalen Sicherheit ist. Sie versuchen, dass es nicht zu einer großen Belastung wird, sondern sorgen dafür, dass sich die Lehrer wohl fühlen und sich keine Sorgen machen müssen. Aber ich denke, das ist nur der erste Schritt. Später werden sie wohl schärfer. Vielleicht – das kann ich nur vermuten – müssen wir den Kindern Ideen beibringen, die der Regierungspolitik entsprechen. Obwohl ich sagte, dass es meinen Mathematikunterricht im Klassenzimmer nicht wirklich beeinflusst, beeinflusst es aber die allgemeine Atmosphäre im Lehrerzimmer. Normalerweise trauen wir uns unter Lehrern und Schülern, offen über Politik zu sprechen. Ich denke, diese Art von Angst – ich weiß nicht, ob Angst das richtige Wort ist – führt auf jeden Fall zum Zögern, im Lehrerzimmer überhaupt noch über Politik zu sprechen.

 

Anpassung und Konformität als Folge des Gesetzes zur Nationalen Sicherheit

 Ist dies auch eine Folge der Schließung der HKPTU? Wie viele LehrerInnen an Ihrer Schule sind Mitglied der HKPTU?

An meiner Schule gibt es etwa 60 LehrerInnen - etwa die Hälfte davon sind Mitglieder der PTU. Auch darüber sprechen wir nicht offen. Ich habe versucht, mit einigen Lehrern in unserer Schule und in anderen Schulen über dieses Thema zu sprechen. Sie sagen nur: Nun, wir müssen dem Vorstand (der PTU) vertrauen. Sie werden die richtige Entscheidung getroffen haben. Das sollten wir nicht in Frage stellen. Sie wollen nicht im Einzelnen darüber sprechen. Vor allem wollen sie ihre politische Überzeugung nicht preisgeben und außerdem die Situation nicht komplizieren.

Aber ich denke, das ist nicht gesund! Ich meine, in einer Situation wie dieser besteht zum einen die Möglichkeit, die Angst zu überwinden, darin, offen über die Dinge zu sprechen. Und zweitens denke ich, dass wir als Pädagogen der Wahrheit verpflichtet sind, die Dinge so klar wie möglich sehen zu wollen und uns angewöhnen sollten, rational und offen zu sprechen. Wir müssen unseren Schülern ein Vorbild sein. Nun herrscht die allgemeine Stimmung, dass wir dies nicht mehr tun sollen. Wir werden uns an den Lehrplan halten. Du bist Mathelehrer, daran musst du dich halten und sonst nichts.

 

Stellen Schüler Fragen zu diesem Thema oder sind sie unbeteiligt und wissen nichts davon?

Nein. Ich denke, die Schüler sind klug. Sie wollen den Lehrern keinen Ärger machen. Als Mathelehrer reden wir im Unterricht ohnehin selten über soziale Themen oder Politik. Vielleicht können diejenigen, die liberal studies unterrichten, diese Themen ansprechen. Mit meinen ehemaligen SchülerInnen hingegen, die ich nicht mehr unterrichte, rede ich über Politik und solche Themen.

 

Waren auch Schüler Ihrer Schule 2019 an den Demonstrationen beteiligt?

Ich habe zu dieser Zeit nie mit jemandem an meiner Schule gesprochen, der direkt an den Demonstrationen 2019 beteiligt war, weil die Regierung sie für illegal erklärt hat und ich meine Schüler nicht damit belasten wollte.

 

Haben Sie von Ihren Kolleginnen und Kollegen gehört, die Geschichte oder andere gesellschaftswissenschaftliche Fächer unterrichten, ob sie seit 2019 Probleme mit der Unterrichtung der „liberal studies“ hatten?

Ich habe mit einem meiner Kollegen gesprochen, der liberal studies unterrichtet. Er sagte, in der Vergangenheit hätten sie den Schülern gesagt, dass wir in Hongkong eine Gewaltenteilung haben, die Legislative, Exekutive und Judikative. Dann 2018 oder 19 – ich erinnere mich nicht genau an das Jahr – sagten chinesische Beamte, dass es falsch sei, wir hätten nur eine Staatsmacht oder so ähnlich. Und der Kollege beschwerte sich: Oh, nun muss ich mein Lehrmaterial ändern. Was ich meinen Schülern beigebracht hatte, ist jetzt falsch. Aber er hat es nicht weiter hinterfragt. Er hat sich sozusagen in einen Techniker oder Bürokraten verwandelt, dessen Aufgabe es ist, die Anweisungen der Behörde auszuführen. Wir alle wissen, dass es eine rote Linie gibt, die wir nicht überschreiten dürfen, aber diese rote Linie ist unsichtbar. Es ist nicht klar, wie viel Spielraum Lehrern für ihre Fachkompetenz unter solchen Umständen bleibt.

Ich erinnere mich an eine Musiklehrerin, die 2014 während der Regenschirmbewegung den Schülern ein Musical mit Bezug zur französischen Revolution zeigte. Sie zeigte die chinesische Version des Musicals und kommentierte: „Oh, dieses Musical ist möglicherweise auf dem chinesischen Festland nicht erlaubt“. Ich denke aber, dass alle Pädagogen in Hongkong unter einem gewissen Druck stehen.

Wie heute mit solchen Situationen umgegangen wird, weiß ich nicht, denn es ist das erste Jahr, in dem wir den neuen Lehrplan anwenden. Natürlich wissen die Lehrerinnen, was sie tun sollen, also werden sie sehr vorsichtig sein. Wahrscheinlich werden sie sich hauptsächlich auf Dinge konzentrieren, die nicht kontrovers oder politisch sind.

 

Als Englischlehrer haben Sie Literatur von unterschiedlichen Autoren, die Sie im Unterricht lesen. Können Sie wählen, von welchen Sie Texte im Unterricht verwenden?

Wir haben die freie Wahl, aber normalerweise halten sich die LehrerInnen in Hongkong an Lehrbücher. In Hongkong gibt es nur einige Verlage, die Lehrbücher und andere Lehrmaterialien veröffentlichen. Wir erstellen nicht wirklich unsere eigenen Lehrmaterialien. Aber ja, ich denke, wenn sie wollen, gibt es Auszüge aus Orwells 1984 in den Lehrbüchern, die im Unterricht verwendet werden können. Wahrscheinlich können LehrerInnen politische Texte auf unpolitische Weise unterrichten. Man könnte 1984 einfach in eine interessante Geschichte der Vergangenheit stecken, ohne zu versuchen, sie mit aktuellen Ereignissen in Verbindung zu bringen. Und wir können davon ausgehen, dass einige der Schüler wie Lehrer merken, worum es hierbei geht.

 

„Liberal studies“ sind auch als Kernfach Bestandteil der Abschlussprüfungen. Handelt es sich hierbei um eine ideologische Prüfung?

Vielleicht. Ich habe in der Vergangenheit mit einigen Lehrern für liberal studies gesprochen. Es scheint, dass sie noch frei reden können. Aber ich weiß nicht, was in diesem Jahr noch passieren wird.

 

Die Lehrergewerkschaft als gemeinsame Plattform wird fehlen

 

Reden wir über die Rolle der HKPTU. Wenn Sie 20 Jahre zurückblicken, wie hat sie Ihnen in Ihrem Leben als Lehrer geholfen?

Die meisten LehrerInnen benutzen die PTU, um Dinge in ihren Supermärkten zu kaufen. Sie betreibt zwei oder drei Supermärkte, in denen alles verkauft wird, was eine LehrerIn braucht, alles Mögliche. Es werden allen Mitgliedern der Gewerkschaft viele soziale Dienste geboten. Manchmal machen sich LehrerInnen lustig, indem sie sagen, die PTU sei nur ein großer Supermarkt. Ich denke, das trifft auf die meisten Mitglieder zu, aber es ist wichtig für sie. Neben dem Besuch der Supermärkte habe ich beruflich an einigen Workshops der PTU teilgenommen. Ich erinnere mich an das erste Jahr meiner Mitgliedschaft in der PTU, als ich an einem Workshop über Wissenschaftsphilosophie teilnahm, der von einem Professor der pädagogischen Fakultät der Chinese University geleitet wurde. Es hat mich sehr fasziniert, an einem solchen Workshop teilnehmen zu können. Ein anderer Redner sprach über das Buch die Pädagogik der Unterdrückten (von Paolo Freire, d. Übers.). So hilft es meiner beruflichen Entwicklung auf eine Weise, die nicht von der Regierung gefördert wird. Seminare oder Workshops wie diese können LehrerInnen kritischere oder radikalere Ideen bieten, wie zumindest in den ersten Jahren meiner Mitgliedschaft. Die HKPTU organisiert auch verschiedene Interessengruppen für LehrerInnen, an denen sie teilnehmen können, wie zum Beispiel Kalligraphie-Kurse oder sie helfen LehrerInnen, Debattierclubs in der Schule zu leiten, oder Ähnliches. Sie bieten eine Reihe von Annehmlichkeiten und Dienstleistungen für Lehrende.

Und ich denke, die Gewerkschaft ist wichtig für LehrerInnen, die Hilfe brauchen. So wie vor etwa 10 Jahren im Fall einer Kollegin von mir. Sie hat mir ihre Geschichte erzählt. Sie wurde von der Schulleitung gemobbt, konnte aber als einfache Lehrerin nichts dagegen tun. Sie hat nach Hilfe bei der Gewerkschaft gesucht, aber ich denke die PTU hat ihr letztendlich keine wesentliche Unterstützung zukommen lassen. Ich denke, LehrerInnen, die nicht viel Unterstützung von anderen Kollegen haben, werden als Erstes daran denken, Hilfe bei der PTU zu suchen.

 

Sie bietet auch Rechtsberatung?

Ja, ja.

 

Glauben Sie, dass sich die Schließung der HKPTU in irgendeiner Weise auf Ihre tägliche Arbeit oder Ihre Situation als Lehrer auswirken wird? Wie beeinflusst es die Stimmung?

Das erste, was mir in den Sinn kam, als ich von der Auflösung der PTU hörte, war, es gibt nun niemanden mehr, an den sich Lehrende wenden können, wenn sie ein Problem haben. Ich habe dabei wohl an meine KollegInnen gedacht, die von der Geschäftsleitung oder der Behörde gemobbt wurden. Jetzt haben wir keine Plattform mehr für Lehrende, um zusammenzukommen, wenn es Probleme gibt, die alle Lehrenden in Hongkong betreffen.

Nochmals, um ehrlich zu sein, wenn ich mich nur um meine Arbeit kümmere, beeinflusst es mich nicht allzu sehr. Ich kann meine Arbeit machen und werde bezahlt, und das war es. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das Bildungswesen in Hongkong in Zukunft positiv weiter entwickeln kann, es wird sogar noch viel problematischer, weil es allein den Weisungen des Staates und der Regierung überlassen wird. Es wird keine andere Stimme in Hongkong mehr geben, die die Richtlinien der Regierung in Frage stellt. Mich treibt zur Zeit ein Gefühl von Sorge oder Angst um, aber nichts sehr Konkretes oder Materielles.

 

Was erwarten Sie von Lehrenden in Deutschland. Was können wir in der aktuellen Situation in Hongkong für die KollegInnen tun?

Ich bin mir nicht sicher, ob die LehrerInnen in Hongkong wissen, was sie in der gegenwärtigen Situation tun können, um sich selbst zu helfen.

Es erscheint mir seltsam, dass sich die PTU von der Bildungsinternationale losgesagt hatte, schon bevor die Bildungsbehörde ihre Zusammenarbeit aufgekündigt hat.

Die PTU ist viele Kompromisse eingegangen in der Hoffnung, dass die Regierung oder die KPCh weniger hart mit ihr umgehen würde. Aber ich denke, diese Schritte waren für die Lehrenden in Hongkong ziemlich demütigend. Ich glaube, die PTU hätte das nicht tun müssen. Ich habe mit einigen meiner Freunde gesprochen und sie sagten: Die PTU hat nicht den Willen, sich zu wehren. Andererseits war die Situation für PTU kritisch oder sogar gefährlich. Die Führer der PTU könnten jederzeit verhaftet und strafrechtlich verfolgt werden. Jedwede Entscheidung war schwer zu treffen.

 

Internationaler Austausch zur Demokratieförderung ist hilfreich

 

Ich weiß nicht wirklich, was hilft, aber vielleicht können uns LehrerInnen aus Deutschland moralisch-psychisch unterstützen. Und ich denke, dass Lehrende in Hongkong mit mehr Ideen in Bezug auf Bildung, soziale Gerechtigkeit, Demokratie usw. konfrontiert werden müssen. Längerfristig brauchen wir das vielleicht. Wir neigen dazu, Bildung als etwas sehr Technisches oder Instrumentelles zu betrachten. In den meisten Schulen sprechen wir während der Lehrerkonferenzen selten über Ideen zur Bildung. Stattdessen sprechen wir über Prüfungsnoten. Wir zeigen Stundenpläne und wie man Stundenpläne füllt, wir wenden uns technischen Fragen zu, ohne die philosophischen oder normativen Grundlagen der Bildung besonders zu erkunden. Aber letztendlich denke ich, dass diese Ideen wichtig sind.

 

Das könnte auch ein Thema für internationale Gewerkschaften sein. Über Internetkommunikation können wir ja außer der internationalen Verbreitung von Erklärungen auch einen direkten Austausch über Methoden und philosophische Ideen organisieren.

Ja, das wäre gut!

 

Uns wurde von deutschen Gewerkschaftsfunktionären aus der internationalen Abteilung gesagt, dass es im Moment nicht gut sei, Solidaritätsbriefe zu schreiben, weil es Menschen gefährden würde. Dies wurde ihnen von der Bildungsinternationale (BI) mitgeteilt. Was denken Sie?

Das ist eine schwierige Frage, egal welche Aussagen von ausländischen Stellen abgegeben werden, können sie als Beweise gegen die PTU verwendet werden, mit ausländischen Agenten zusammenzuarbeiten. Natürlich hat die PTU nicht dazu aufgerufen, ausländische Organisationen sollten Stellungnahmen herausgeben. Ich glaube auch nicht, dass solche Erklärungen einen großen Unterschied machen würden. Letztendlich müssen wir das Richtige tun.

Aber es ist auch wichtig festzuhalten, wie im Bildungsbereich in anderen Teilen der Welt auf die Ereignisse in Hongkong reagieren.

 

Haben Sie von Kollegen gehört, die erwägen, von Hongkong in die USA, nach Australien oder nach Großbritannien auszuwandern?

Ja, ich habe einige Freunde, die bereits nach Großbritannien gezogen sind. Und ich habe von einigen LehrerInnen in anderen Schulen gehört, die planen, aus Hongkong weg zu ziehen oder es bereits getan haben. Ich denke, das ist nicht nur auf Beschäftigte aus dem Bildungssektor beschränkt, das passiert überall in Hongkong.

Aber es ist komplizierter. Manche LehrerInnen gehen nicht nur, weil sich ihre Arbeitssituation verschlechtert, sie gehen, weil sie nicht wollen, dass ihre Kinder diese Art von Bildung in Hongkong erhalten. Wahrscheinlich ist das sogar der Hauptgrund für einige LehrerInnen, zu gehen.

So wie in meiner Schule, planen nicht viele LehrerInnen zu gehen. Die meisten von ihnen sind junge LehrerInnen und vor allem, wie ich schon sagte, sind die LehrerInnen in Hongkong nicht sonderlich politisch. Sie sind ein bisschen verängstigt, aber sie glauben nicht, dass sie leicht gegen Gesetze verstoßen und verhaftet werden können. Ich denke, es ist nicht sehr realistisch, sich vorzustellen, dass irgendeine LehrerIn jederzeit verhaftet wird. Sie wissen, wie man die Gefahr vermeidet.

 

Gibt es etwas, das Sie gerne hinzufügen würden, was wir bisher nicht angesprochen haben?

Ich denke, wir müssen wirklich in die Zukunft schauen, um zu sehen, wie wir weltweit Netzwerke von Pädagogen aufbauen können, um sich gegenseitig zu helfen.

In den letzten Jahren hat sich eine „lokalistische“ Bewegung in Hongkong entwickelt. In gewisser Weise hat es die Menschen dazu gebracht, mehr auf sich selbst zu schauen als auf andere Länder. Es ist ziemlich ungesund, wenn wir uns nur auf uns und Hongkong konzentrieren. Ich hoffe nur, dass es für Lehrende, für LehrerInnen an vorderster Front, nicht für die Bildungsverwaltung, nicht für die Akademiker, nicht für Regierungsbeamte, sondern für die LehrerInnen an vorderster Front Gelegenheiten geben wird, ihre Erfahrungen und ihre Ideen über Bildung und viele andere Themen mit LehrerInnen in anderen Teilen der Welt auszutauschen. Das muss nicht politisch oder sehr militant oder kämpferisch sein.

 

Übersetzung aus dem Englischen von P. Franke

 

* Einen kurzen Abriss über die Geschichte der HKPTU wurde am 15.8.2021 von der Hong Kong Free Press veröffentlicht. Ein deutsche Übersetzung hier.