June 23, 2021

Ein neuer Kalter Krieg

Einschätzungen aktueller geostrategischer Spannungen

Ein neuer Kalter Krieg

Der Schwerpunkt der Aktivitäten vom Forum Arbeitswelten mag bei dem Blick von unten auf das Leben der einfachen Menschen und ihren Arbeitswelten liegen, doch die politische Einordnung der Entwicklungen in China darf nicht fehlen. Bei Veranstaltungen und den Besuchen unserer Onlineangebote gibt es ein deutliches Interesse an Fragen, wie "Ist China sozialistisch oder kapitalistisch?", über die Rolle der Gewerkschaften oder China im geopolitischen Spannungsfeld.  

Renate Dillmann hat zu letzerem Thema einen Artikel bei Telepolis veröffentlicht:

Der Feind in Asien

Ein neuer Kalter Krieg der USA gegen China bewegt die Welt. Tatsächlich haben US-Akteure den Konflikt erheblich zugespitzt. Eine vorläufige Übersicht
Droht ein neuer Kalter Krieg, dieses Mal zwischen den USA und China? Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sei an folgende Punkte erinnert:
  • Donald Trump hat einen Handelskrieg gegen China geführt, in dessen Verlauf chinesische Waren mit 550 Milliarden Dollar an Strafzöllen belegt wurden. Seine Diplomaten sorgten dafür, chinesische Firmen mit überlegenen Technologie-Angeboten aus westlichen Märkten zu drängen und im Fall von Huawei deren Managerin verhaften zu lassen. Die Biden-Regierung führt die Schutzzoll-Politik ihrer Vorgängerregierung fort und hat sie um ein Gesetz ergänzt, das Regierungsbehörden untersagt, ausländische Waren und Dienstleistungen zu kaufen (Umfang 600 Milliarden US-Dollar).
  • Im südostasiatischen Meer finden weitere US-Manöver statt; der sogenannte "Inselstreit" wird von US-Seite mit kleineren Scharmützeln am Leben gehalten, amerikanische Stützpunkte in der Region werden reaktiviert und neu ausgestattet (Philippinen, Guam), die Aufrüstung Taiwans mit US-Waffen forciert.
  • Auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2020 hat der US-Verteidigungsminister Mark Esper in einer Brandrede die Notwendigkeit eines westlichen Bündnisses gegen China beschworen. Der G7-Gipfel in London 2021 – unter der Regierung Biden – diente explizit der Anbahnung eines solchen Bündnisses, weshalb auch Australien, Indien und Südafrika eingeladen wurden.
  • Begleitet wurde und wird diese Politik durch immer mehr und immer heftigere Anklagen gegen den chinesischen Staat in der westlichen Öffentlichkeit und den Vereinten Nationen. China wird inzwischen des Genozids an einer ethnischen Minderheit, den Uiguren, bezichtigt. Dazu treten im Wochenrhythmus wechselnde Vorwürfe wegen staatlicher Repression gegen Protestierende in Hongkong, Ausbeutung afrikanischer und asiatischer Staaten, Umweltverstößen und nicht zuletzt Schuldzuweisungen und Kritik am autoritären Staatsverhalten in der Corona-Krise.
Kampagnen dieser Art haben dafür gesorgt, dass der chinesische Staat in der Bevölkerung einen ziemlich schlechten Ruf hat – gerade auch bei denen, die dem hiesigen Staat nicht ohne Kritik gegenüberstehen. Dass die USA China so feindselig gegenübertreten und Verbündete für ein Anti-China-Bündnis sammeln, liegt allerdings nicht in den Vorwürfen begründet, die sie lancieren und dann zitieren. Die regierenden Politiker können Feindbild und Feindschaft besser auseinanderhalten als ihre Presse und ihr Volk. (...)
Vom sozialistischen Entwicklungsland zur kapitalistischen Großmacht
(...) Gegen alles Geschwätz von "Chimerica" und einem globalisierten Welthandel "zum Nutzen aller" wird an diesem Fall ein weiteres Mal deutlich, dass die Konkurrenz um den Nutzen aus dem Welthandel ihrer Natur nach ausschließend und deshalb in der letzten Instanz feindlich, ja kriegsträchtig ist. Auch wenn momentan tatsächlich keine der Parteien die "große Auseinandersetzung" will, ist das der gewaltträchtige Kern ihres Verhältnisses.

Der vollständige Artikel bei Telepolis.

Die Buchmacherei hat eine aktualisierte Fassung ihres Buches "China – ein Lehrstück über alten und neuen Imperialismus..." herausgebracht.

Die "Informationen zur deutschen Außenpolitik German Foreign Policy" zeichnen ein düsteres Bild von den aktuellen Entwicklungen:

Der große Krieg

US-Militärs debattieren über einen Krieg der Vereinigten Staaten gegen China. Der könnte "vielleicht schon 2026 oder 2024" beginnen.

BERLIN/WASHINGTON/BEIJING  (Eigener Bericht) - Vor dem Beginn der Asien-Pazifik-Fahrt der deutschen Fregatte Bayern schwillt unter hochrangigen US-Militärs die Debatte über Form und Zeitpunkt eines möglichen großen Krieges gegen China an. Admiral a.D. James G. Stavridis, Ex-NATO-Oberbefehlshaber und Autor eines aktuellen Romans über einen solchen Krieg, hielt bis vor kurzem den Beginn von Kämpfen im kommenden Jahrzehnt für denkbar. Als mögliche Auslöser gelten die Auseinandersetzungen um Taiwan oder um Inseln im Süd- und im Ostchinesischen Meer. Allerdings verschiebt sich Stavridis zufolge das militärische Kräfteverhältnis zwischen den USA und China rasant, und zwar zugunsten der Volksrepublik, die in Teilbereichen - etwa bei der Anzahl ihrer Kriegsschiffe oder in der Cyberkriegführung - bereits aufgeholt habe. Stavridis warnt mittlerweile, "die Schlacht" zwischen Washington und Beijing könne "viel früher kommen". Dabei spielten US-Verbündete eine zentrale Rolle; die USA bänden sie gezielt in immer "aggressivere" Operationen etwa im Südchinesischen Meer ein. Zu den erwähnten Verbündeten gehört auch Deutschland. (...)

German Foreign Policy 18.6.2021