Widerstand: Aspekte betrieblicher und gewerkschaftlicher Entwicklungen
Betriebliche Kämpfe, gewerkschaftliche Entwicklungen – einige aktuelle Trends
VORBEMERKUNG
Vermessen wäre es, in diesem Text mehr zu wollen, als auf einige ausgewählte (und, logischerweise: für den Autor und hoffentlich auch die LeserInnenschaft auch speziell interessante) Entwicklungen einzugehen. China ist, so kann man diversen Quellen entnehmen, das Land mit den meisten sozialen Auseinandersetzungen auf der Welt. Wenig überraschend, angesichts der Tatsache, dass ein Fünftel aller Menschen ebendort leben (Wer einen ersten Eindruck von der Vielzahl der Auseinandersetzungen bekommen möchte, kann dies auf den Seiten „Asien Aktuell: News, Daten, Kämpfe, Bewegungen“ tun, wo Pressemeldungen übersetzt werden; das „China Labour Bulletin“ veröffentlicht, auch in englischer Übersetzung, alle zwei Jahre einen Versuch zur Gesamtschau der Auseinandersetzungen, gerade eben wurde der Überblick 2007-2008 veröffentlicht - und, zunächst einmal unabhängig von politischen Einschätzungen, sind die Informationen und Einblicke sehr nützlich).
Die Feststellung über die naheliegende Vielzahl der Kämpfe gilt erst recht, wenn man bedenkt, dass auch in China die Auswirkungen der aktuellen kapitalistischen Krise massiv zu spüren sind – unabhängig davon, wie zuverlässig die statistische Erfassung der Erwerbslosigkeit sein mag, was ja keinesfalls nur in China ein Problem darstellt... Vier Unternehmen - vier Hintergründe; vier Entwicklungen Die Unternehmen – und natürlich vor allem: Die Belegschaften – denen wir uns hier zuwenden, sind in voller Absicht jene, die in erster Linie durch die Berichterstattung unserer Projektpartner im Projekt Arbeitswelten China – Deutschland (aber auch durch die Arbeit anderer, ähnlich gelagerter Initiativen) einigermaßen ausführlich im Zentrum der Berichterstattung standen. Mehr noch: Nachdem wir seit Beginn des Jahres 2009, seitdem es diesen organisierten Austausch gibt, uns im wesentlichen mit der aktuellen Krise in beiden Ländern auseinandergesetzt haben und versucht haben, analytische Darstellungen der gesamten Entwicklung auszutauschen, haben wir vereinbart, diese dritte Folge des Austauschs etwas anders zu gestalten: Während die Partner in China Telefoninterviews mit bundesdeutschen Automobilarbeitern organisieren, fassen wir die betriebliche Berichterstattung anhand einiger längerer Auseinandersetzungen zusammen. Dabei geht es um Fragen wie Widerstand in transnationalen Konzernen, um die stets existenzielle Frage der Arbeitssicherheit und Gesundheit, um gewerkschaftliche Rechte - auf verschiedene Weise.
Gold Peak – ein Spiel mit dem Leben. Der ArbeiterInnen...
Der Batteriehersteller, in dessen beiden Werken in Südchina (Stammwerk ca 1 Autostunde von Hongkong) im Jahre 2003 rund 2.700 Menschen arbeiteten, produzierte Nickel-Cadmium Batterien. Ende 2003 entstand große Unruhe unter den Beschäftigten, da sich die Kenntnis der Gefährlichkeit von Cadmium allmählich verbreitete. Im Juni 2004 kam es zu einem dreitägigen Streik der Belegschaft, die damit ihrer Forderung nach generellen medizinischen Untersuchungen für Alle Nachdruck verleihen wollte.
Insgesamt sollen mehr als 600 Menschen akute Probleme mit Cadmiumwirkungen gehabt haben – dessen Abbau im Körper in der Regel mindestens 10 Jahre dauert, das neben wesentlich erhöhter Krebsgefahr unter anderem auch Fehlfunktionen der Leber und heftige körperliche Schmerzen provoziert. Das Unternehmen – diese Reaktion ist nun wahrlich keine chinesische Besonderheit – reagierte mit Bedauern auf „die Einzelfälle“ und verweigerte die Erfüllung der Forderungen, erst recht der Forderung nach Untersuchung der Familien, die aufgekommen war, nachdem privat bezahlte Untersuchungen ergaben, dass schwangere Arbeiterinnen die Belastung vererbt hatten.
Der „Fall“ Gold Peak ist auf zwei Arten eine der (wachsenden Zahl von) Ausnahmen: Zum einen gab es relativ viel öffentlichen Druck durch die Verbindung der Belegschaft zu einer kritischen NGO (mit Auslandskontakten) – in diesem Fall dem Globalization Monitor aus Hongkong (heute einer der Projektpartner beim Forum Arbeitswelten).
Seit Herbst 2004 wurde immer wieder auch in ausländischen Medien über die Entwicklung berichtet. Globalization Monitor hat regelmässig und kontinuierlich auch in englischer Sprache berichtet, die Rubrik „Posts from the ‘GP Batteries cadmium posining case’ Category“ umfasst heute bereits rund 50 Einträge bis 2009. Die Arbeit von GM war auch die Grundlage der relativ kontinuierlichen Berichterstattung im LabourNet Germany unter der eigenen Rubrik „Die Cadmium-Opfer von Gold Peak“. Zahlreiche internationale gewerkschaftliche Solidaritäts- und Protesterklärungen waren ein Ergebnis dieser Arbeit von GM. Der andere Grund für die Einordnung als „Ausnahme“ ist die Dauer der Auseinandersetzung. Erst kürzlich, im April 2009, gab es erneut eine größere Auseinandersetzung – wie schon mehrere in der Zwischenzeit. Am 21. April blockierten Arbeiter und Arbeiterinnen die Fabriktore der Gold Peak gehörenden Jet Power Fabrik in Shenzhen, Verlagerungsgerüchte verbanden sich mit der fortdauernden Auseinandersetzung um die Gesundheitsprobleme. (Bereits im Februar 2009 hatte es in diesem Werk einen weiteren mehrtägigen Streik gegen die nicht offiziell angekündigte Verlagerung gegeben). Eine monatliche Entschädigung für die Zeitdauer in der noch Cadmium in den Körpern nachgewiesen werden kann, wurde zugesagt – andrerseits sollen zwei Arbeiterinnen, die an der Blockade teilnahmen, vor Gericht gezerrt werden. Private Sicherheitskräfte schlossen einige der Blockierenden ein und mussten erst von der Polizei veranlasst werden, sie wieder frei zu lassen.
GM hat im Juni 2008 eine Broschüre ins Englische übersetzt „GP Workers’ 4 Year Struggle to Defend their Rights“ in der der gesamte Verlauf der Auseinandersetzungen dokumentiert wird – wobei auch deutlich wird, dass die lange Auseinandersetzung um die Gesundheit die Belegschaft darin bestärkt hat, sich insgesamt für ihre Rechte und ein besseres Leben einzusetzen. Nun gibt es in China durchaus, wie anderswo auch, gültige Gesetze zur Arbeitssicherheit. Diese sehen beispielsweise eine regelmäßige Arbeitsinspektion vor, die von der jeweiligen Stadtverwaltung gemeinsam mit der zuständigen Gewerkschaft organisiert werden soll. Ausserdem sind die Unternehmen verpflichtet, Sicherheitsausrüstung zu stellen und Gesundheitsaufklärung zu betreiben. Und, es steht zu befürchten, dass Gold Peak in folgender Hinsicht keine Ausnahme ist. Generell ist klar: Wie anderswo auch, konkurrieren Kommunen und Provinzen um Investitionen – die Dauerkrise des Kapitalismus hat weltweit zu dieser perversen Situation geführt.
Im ersten Bericht einer ausländischen Zeitung über Gold Peak „CHINESE FIND JOBS ARE POISON; FAMILIES MAY SUFFER TOO, BUT WORKERS FACE THREATS IF THEY COMPLAIN TO BEIJING BATTERY FACTORY CADMIUM“ von Tim Johnson im „Charlotte Observer“ vom 19. November 2004 wird – eher nebenbei – darauf verwiesen, dass Gold Peak 50% der Aktien des Fernsehgeräteherstellers TLC gehören, der ebenfalls in Huizhou produziert, wo das Stammwerk von GP ist. Die anderen 50% gehören der Stadt Huizhou...Und der Besitzer von Golden Peak Victor Lo Chung-wing war ernsthafter Kandidat für die Regionalregierung von Hongkong, wogegen eine Vielzahl von Gruppierungen 2007 protestierten. Was den Gewerkschaftsbund betrifft: In dem Bericht „Gold Peak Subisidary JetPower: Cadmium poisoned workers seek compensation package“ wird erwähnt – lediglich erwähnt – dass der lokale Topmanager der Jet Power Tochterfirma gleichzeitig Vorsitzender des betrieblichen Gewerkschaftskomitees ist.
Die noch längst nicht beendete Auseinandersetzung um Gold Peak, bzw mit Gold Peak um die Gesundheit der Menschen ist sicher aus den genannten Gründen ein Sonderfall. Aber eben nur aus den eben genannten Gründen. Leider nicht aus dem Grund, dass bei GP mit der Gesundheit der Arbeiterinnen und Arbeiter gespielt wird. Das geschieht in China wie anderswo, wo das Privateigentum an Produktionsmitteln regiert – und auch dort, wo eine unkontrollierte Staatsbürokratie die Betriebe befehligt.
Dabei ist Cadmiumvergiftung, trotz einer Vielzahl von Batterieherstellern und vieler betroffener Menschen insgesamt eher eine Ausnahme: Staublungen, aus Bergbau und Textilfärbereien sind ein weiter verbeitetes Problem – und Asbest. (Beim Asia Monitor Resource Center gibt es beispielsweise den Bericht „Asian Asbestos Conference 2009“).
Maersk: Disziplin, verdammt noch mal...
Seit 2006 läßt Maersk in Dongguan Container produzieren – die Belegschaft von etwa 2.100 Menschen arbeitet ausschliesslich für die weltweite Maerskflotte. (Ein Unternehmen im übrigen, das keinesfalls den Ruf dänischer Freundlichkeit verstärkt – auch im LabourNet Germany kann man etwa über Maersk in El Salvador einiges nachlesen...) Im Januar 2008 war es erstmals im Werk zu Aufruhr gekommen, der sich gegen die permanenten Bestrebungen und Maßnahmen der Werksleitung zur Arbeitsverdichtung richtete.
Die Voraussetzung für die Steigerung der Produktion sei wachsende Disziplin, so die Philosophie des Unternehmens, weshalb ein betrieblicher Verhaltenskodex entwickelt wurde, der aus einer stets wachsenden Zahl von Vorschriften bestand – und zwecks Einhaltung dieses Kodexes wurden die Wachleute des privaten Sicherheitsunternehmens, die das Werk bewachen mit seiner Umsetzung betraut...Es kam aus nichtigem Anlaß zu heftigen Konfrontationen, bei denen es den Wachleuten verschiedentlich nicht besonders gut ging und auch „Eigentum des Unternehmens“ Schaden nahm. Als die Firma ihren Kurs weiterverfolgte kam es im Mai 2008 zu einem weiteren Streik: Dieser schlug so hohe Wellen, dass eine Delegation der Provinzregierung beauftragt wurde „Frieden zu stiften“, die Firma wollte 29 Arbeiter entlassen, was erst dazu geführt hatte, dass die Streikaktion eine echte Massenbasis bekam. Danach änderte sich der Tonfall der Berichterstattung: Maersk liesse jetzt sogar die Gründung einer Betriebsgewerkschaft zu, die Arbeitsbeziehungen entwickelten sich positiv. So die Medienberichterstattung – unter der Belegschaft wurde von Änderung nichts registriert. Zwar gab es von da ab solche Sachen wie einen Hitzezuschlag, aber eben keine wesentlichen Änderungen.
Im Juni 2008 wurde ein kompletter Verhaltenskodex mit 73 Vorschriften allen Beschäftigten als Broschüre übergeben...Im Juli fand für die 1785 Mitglieder, die der Betriebsgewerkschaft beigetreten waren die Wahl zum Gewerkschaftsvorstand statt: Allerdings durfte bei der Stimmauszählung niemand anwesend sein, und so überraschte es wenig, dass der Vorstand ausschliesslich aus Vorarbeitern und Abteilungsleitern besteht. Diese ganze Entwicklung, inklusive einer ausführlichen Dokumentation der Beschwerden der Belegschaft ist in der Broschüre „The Background to Two Strikes in Maersk Dongguan China“ des Globalization Monitor vom 29. Januar 2009 beinhaltet. Eine Publikation, die wesentlich dazu beitrug, sowohl die Aufmerksamkeit der Behörden erneut auf das Unternehmen zu lenken, als auch transnationale Solidarität zu organisieren: Im Februar 2009 berichtete des Maersk-Netzwerk der Transportarbeiterföderation ITF in dem Beitrag „Maersk battling with Chinese factory accusations“ von einer zweimonatigen Betriebsschliessung, zur Beseitigung von Mängeln.
Im April 2009 gab es ein Treffen der Firmenleitung mit Globalization Monitor bei dem erstere eine Reihe von Zusagen machte: Unter anderem – da sie selbst „unglücklich“ über das Wahlergebnis sei – die Einrichtung eines weiteren, zusätzlichen gewerkschaftlichen Komitees, das ausschliesslich der Vertretung von Arbeitern dienen solle, sowie die Überarbeitung des Verhaltenskodexes entsprechend internationalen ILO-Richtlinien. Aber auch danach erschien es weiter so, als solle lediglich auf Zeit gespielt werden. So wird in der bislang jüngsten Dokumentation des GM „Full Release of the Investigation Report into MCID“ vom 29. April 2009 neben vielen weiteren Kritikpunkten einerseits festgehalten, dass Maersk darauf beharre, Arbeiter wegen „gesetzeswidrigen Vorgehens“ - sprich Streikbeteiligung – zu entlassen, obwohl es China kein einziges Gesetz gibt, das Streik verbietet. Und, erstmals thematisierte GM ausführlich das Thema betrieblicher Korruption.
Festzuhalten hierbei unter anderem: Die Hoffnung europäischer Unternehmen auf die vielbeschworene chinesische Arbeitsdiziplin (also die Hoffnung auf Kulis) ist eine weitere vergebliche. Die Belegschaften fordern heute nicht mehr „nur“ ausstehende Zahlungen usw, sondern verweigern sich der Knochenmühle – und sie werden bewußt aktiv, um einigermaßen gewerkschaftliche Organisation zu erreichen.
Ole Wolff: Eine Gewerkschaft der Frauen...
Und – zufälligerweise – noch ein Unternehmen aus Dänemark (und Hongkong): Die Elektronikfirma Ole Wolff in Yantai – in der „Nähe“ von Beijing, nicht im Süden. Ein großer Teil der Belegschaft will eine Gewerkschaft. Ole Wolff hat mehrere Werke in China – das größte in Dongguan mit rund 1400 Beschäftigten, die Fabrik in Yantai ist eine kleinere, die zu Hochzeiten 250 Menschen, dann ca noch 100 Beschäftigte.
Im Oktober 2006 beginnen „die Dinge“ sich zu entwickeln – und jene Kolleginnen, die die Initiative ergriffen haben, und den Kern des gewählten gewerkschaftlichen Betriebskomitees bilden, weil sich viele der Belegschaft insgesamt schlecht behandelt fühlen, werden entlassen. Vor dem lokalen Gericht bekommt die Belegschaft recht, die Entlassung sei nicht rechtmäßig gewesen, auch die örtliche Gewerkschaft unterstützt das ganze zunächst, die Betriebsgewerkschaft wird in den Gewerkschaftsbund aufgenommen, allerdings ohne jemals Gewerkschaftsbeiträge zu bekommen, die an die lokale Gewerkschaft abgeführt werden sollten.
Aber: Die zuständige Arbeitsbehörde arbeitet mit dem Unternehmen zusammen, das mit dieser Unterstützung das Gerichtsurteil schlichtweg ignoriert – und auch im Gewerkschaftsbund dreht sich der Wind...Es entwickelt sich eine Art unternehmerischer Kleinkrieg gegen die Gewerkschaft, wie er durchaus auch von anderswo her bekannt ist: dabei werden reihenweise gesetzliche Vorschriften mißachtet. So bestimmt das Gesetz, dass gewählte Gewerkschaftsvertreter drei Tage im Monat freigestellt sind zur Erledigung gewerkschaftlicher Arbeit. Was immer wieder verweigert wird. Abfindungsangebote und Entlassungen wechseln sich ab, die Arbeiten werden zunehmend ausgelagert. Mit der Verringerung der Belegschaft sinkt auch die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder, immer ungefähr die Hälfte der Beschäftigten, zuerst ca 120, später nur noch 40.
Nun aber: Weder geben sie deswegen auf, noch bleiben sie ruhig – stattdessen suchen sie den Kontakt zu internationalen, natürlich vor allem dänischen Gewerkschaften, nicht zuletzt über das Netz. Die ersten Reaktionen sind die weltweit bekannten – in Dänemark weiss man von nichts. Dann, im Herbst 2008, wird eine neue Kündigungswelle angekündigt, weil die Kampagne sich geschäftsschädigend ausgewirkt habe.
Über diese ersten beiden Jahre der Auseinandersetzung hat der Globalization Monitor im September 2008 die chronologische Dokumentation „The struggle of a Self-Organized Workplace Union in China“ von Wang Jian herausgegeben, die die Besonderheiten dieser betrieblichen Auseinandersetzung unterstreicht. Im Dezember 2008 schliesslich konnte GM darüber berichten, dass Ole Wolff sich bereit erklärt habe, den sechs entlassenen Kolleginnen Entschädigungen zu bezahlen - zur gleichen Zeit aber wieder eine Aktivistin entliess, und insgesamt den Kurs auf Schliessung des Werkes fortsetzt, indem weiterhin ausgelagert wird und Belegschaft reduziert. So wird es in dem Bericht „Ole Wolff Yantai Workplace Union Won Partial Victory“ des GM vom 2. Dezember 2008 festgestellt.
Die konkrete transnationale Unterstützung hat hier ebenso eine wesentliche Rolle gespielt, wie die Solidaritäts- und Unterstützungsaktivitäten von Gruppierungen in China – die Entschlossenheit der Kolleginnen, ihren Weg zu gehen, war aber das Entscheidende.
The one and only Walmart-Gewerkschaft
Walmart, das Unternehmen mit den meisten Beschäftigten der Welt, ist bekannt als ausgesprochen antigewerkschaftlich eingestellt. In den USA gibt es keine einzige gewerkschaftliche Organisation in irgendeiner Walmart-Niederlassung – ein historischer Schritt waren die beiden ersten Gewerkschaftsorganisationen in Kanada, von denen eine durch Betriebsschliessung wieder weg ist.
Dementsprechend war es zur Überraschung mancher, dass Walmart mit dem Allchinesischen Gewerkschaftsbund einen Tarifvertrag abschloss, der im Prinzip ein Rahmentarifvertrag sein soll, auf dessen Grundlage die lokalen Gewerkschaften aktiv werden können. Im Prinzip gültig für alle mehr als 100 Niederlassungen Walmarts in China wurde dieser Vertrag zunächst für 16 Niederlassungen unterzeichnet. Die China Labour News Translations haben eine kommentierte englische Übersetzung dieses Tarifvertrages veröffentlicht: „The Wal-Mart-ACFTU contract in English“ - worin versucht wird, Stärken und Schwächen dieses Vertrages abzuwägen, der aufgrund der oben skizzierten Ausgangslage zu Recht als ein Abkommen von transnationaler Bedeutung gesehen wird.
Dabei ist das grundsätzlich eingeräumte Recht auf gewerkschaftliche Organisierung ebenso als Errungenschaft zu würdigen, wie die Festlegung einer jährlichen Lohnerhöhung um 8 Prozent, auch wenn beides jeweils konkret durchaus in Frage steht. Die fünfjährige Laufzeit des Vertrages ist eine Konzession an das Unternehmen – und was die Vereinbarung der Lohnerhöhung konkret wert ist, wird sich in der Laufzeit zeigen müssen.
Was das Recht auf gewerkschaftliche Organisation betrifft, sind einige Feststellung zu treffen: Zum einen war auffällig, dass nach der Rahmenvereinbarung kaum Initiative von den örtlichen Gewerkschaften kam. Und wo etwas geschah, war dies ganz im Sinne der Forderung des Unternehmens, den Rahmenvertrag als Pilotprojekt zu sehen, also 1:1 zu übernehmen. Der gewählte Betriebsgewerkschfts-Vorsitzende eines Nanchanger Walmartladens war der einzige, der – über zwei Jahre lang – versuchte, den „Rahmen“ konkret auszufüllen – er wurde letztlich durch den Abschluss in einer zweiten örtlichen Niederlassung, die kurzerhand als für den ganzen Ort gültig erklärt wurde (von beiden Seiten) ausmanövriert.
Zum anderen: Nahezu natürlich muss man es schon nennen, dass Walmart die Taktik verfolgte, die gewerkschaftlichen Organe durch das je lokale mittlere Management zu besetzen. Was aber, je nach Umständen, ist erstmal eine gewerkschaftliche Organisation vorhanden, auch keine absolute „Sicherheit“ für das Unternehmen bedeutet. Im April 2009, als Walmart einen Rationalisierungsplan verkündete und umsetzte wandten sich die lokalen Manager in Changchun, von dieser Umstrukturierung wie das gesamte mittelere Management besonders betroffen, an die Gewerkschaft um Unterstützung – und die lokale Gewerkschaft forderte eine Verhandlung mit dem Zentralmanagemnt, die auch stattfand – und zur Rücknahme einiger besonders extremer Maßanahmen führte. Was durchaus ein Präzedenfall für die anstehenden „Umstrukturierungen“ der Gesamtbelegschaften werden könnte...
NACHBEMERKUNG
Aus diesen hier zusammengefassten Aspekten lassen sich, wie schon eingangs angedeutet, keine Gesamttendenzen ableiten – es handelt sich um nichts mehr als Schlaglichter. Sehr generelle Feststellungen lassen sich dadurch möglicherweise bestätigen: Dass die Gesundheitsproblematik nicht nur eine stets aktuelle ist, sondern auch ein Problemkomplex, bei dem viele Menschen eher bereit sind aktiv zu werden, trotz Risiken; dass die Disziplin keineswegs etwas ist, was ArbeiterInnen mögen, egal wo; dass immer wieder aufscheint – manches Mal auch nur in Gerüchten – dass lokale Gewerkschaftseinrichtungen ihre Sonderbeziehungen zu Unternehmen haben...Und eben, dass im konkreten das Verhalten und die Struktur des Gewerkschaftsbverbandes immer wieder die Frage nach seiner Reformierbarkeit aufwirft – eine zentrale Frage, die aber in China nur unter sehr speziellen Bedingungen steht, anderswo eben unter anderen Bedingungen, aber eigentlich genauso.
Von Helmut Weiss