Zur aktuellen Vorgehensweise chinesischer Behörden gegen Labour-NGOs in Shenzen

Seit Anfang 2012 ist die regelmäßige "Inspektion" durch Behörden an der Tagesordnung - seit Juli 2012 ist der Protest international: Eine Bestandsaufnahme im Oktober 2012

Shenzen liegt sozusagen direkt neben Hongkong, und ist die vielleicht am schnellsten gewachsene Stadt Chinas: 1979, im Jahr bevor es die erste Sonderwirtschafszone wurde, lebten da gerade einmal 30.000 Menschen, heute wird die Bevölkerung auf 12 Millionen geschätzt - WanderarbeiterInnen ohne Ende, zum Beispiel. Und NGOs, die für Arbeiterrechte arbeiten, sind ebenfalls stark verbreitet und insofern ist das ganze repressive Vorgehen gerade hier kein Zufall - zumeist wurde den Gruppen nach Polzeiaktionen einfach gekündigt, aufhören oder umziehen als Alternative blieben.

Um das zu unterstreichen: Die diversen Gruppierungen, mit denen wir im Rahmen von Forum Arbeitswelten Austausche organisiert haben waren oft genug eben genau dies: Labour-NGOs, was ja auch eine Form sein kann, die “liegen gebliebenen Aufgaben” der staatstragenden Gewerkschaft (etwas, was es beides ja keineswegs nur in China gibt) zu erfüllen...

Der Globalisation Monitor verbreitete die Meldung über sein LabourNet China am 13. September 2012: “Crackdown on China workers' rights groups” hiess die aus diversen Medien übernommene Meldung, die vom Vorgehen gegen 10 Gruppen berichtete

Die Veröffentlichung dieser Nachricht geschah zusammen mit der Verbreitung eines darauf bezogenen Protest-Appells, der von der Hongkonger Gruppierung Sacom entworfen worden war, die bereits im August auf die ersten Meldungen Ende Juli reagiert hatte: “Provincial authorities evict from their offices groups that advocate for the rights of migrant workers despite pledge to ease registration requirements”.

 

Der Appell selbst wurde im Laufe des August von über 100 Wissenschaftlern mehrere Länder unterzeichnet: - “International Scholars Call on Guangdong Government to Stop Repression against Labor NGOs”, wie es ebenfalls im LabourNet China berichtet wurde.

 

Am 25. September dann veröffentlichte die Webseite China Development Brief die englische Übersetzung eines "Artikels aus der Zeitung Southern Daily (Nanfang Ribao)" von einigen Tagen zuvor, der sowohl den aktuellen Stand, als auch die ganze Geschichte des Vorgehens gegen die Labour-NGOs seit Februar 2012 zusammenfasste und die Behörden sowohl der Stadt Shenzen als auch der Provinz Guangdong aufforderte, den Gesetzen gemäß zu handeln und zivilgesellschaftliches Engagement zu ermöglichen und zu unterstützen:

 

Die Gruppierung, anhand derer diese Entwicklung vor allem dargestellt wird, wird in diesem Beitrag so charakterisiert: “Located on Xixiang Road in Bao’an district, the Shenzhen Hand-in-Hand Workers’ Activity Center (hereafter referred to as “Hand-in-Hand”) is a public-welfare organization designed to help migrant workers. Chen Yandi and her friend founded Hand-in-Hand in 2007. In five years, it has grown from only two people into an organization with eight full-time employees and some repute among migrant workers in Shenzhen” (knapp: “Hand in Hand workers Activity Center” liegt im Stadteil Baoan, ist eine Organisation zur öffentlichen Wohlfahrt, 2007 von chen und ihrem Freund gebildet um Wanderarbeiter zu unterstützen, ist seitdem von 2 auf 8 Vollzeitstellen angewachsen und geniesst einigen guten Ruf unter den Wanderarbeitern). Eine andere NGO, das Shenzhen Migrant Workers’ Center hatte bereits den wegen auf die Inspektion folgende Kündigung Umzug vollzogen - als ihnen von den Behörden “mitgeteilt” wurde, am neuen Ort bräuchten sie auch eine neue Lizenz...

 

Einen lesenswerten Artikel als einigermaßen aktuellen Überblick über diese Entwicklungen hat die US-Webseite “In these Times” unter dem Titel “Chinese Labor Activists Get Shut Out, But Won’t Shut Up” am 13. August 2012 veröffenticht.

 

In der Neuen Zürcher Zeitung gab es Mitte September den Artikel “Kampf für Arbeiterrechte unter dem Druck des Staates” der ebenfalls einen ersten Einblick in die Sachlage gibt.

 

Bereits im Juli hatte auch das Hongkonger Verbindungsbüro des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IHLO) eine Kritik an dem Vorgehen publiziert (anderswo sind sie mit Kritik gar nicht so schnell, etwa zu spanischen Polizei-Prügelorgien war vom IGB bisher nichts zu hören, aber na ja, kennt man ja...) - “Double-handed Policy on Labour NGOs in Shenzhen Called Suspicion on the Social Administration Reform”:

 

Zum Thema hatten wir bei Forum Arbeitswelten bereits im August 2011 die Übersetzung “Ergebnisse der Untersuchung der Provinz Guangdong zur Frage der „nicht-anwaltlichen Rechtsbeistände“” veröffentlicht.

 

Im LabourNet Germany hatten wir bereits die Untersuchung von Chris Chan "Der kontinuierliche Kampf um einen Existenzraum: Die Entwicklung von Wanderarbeiter-NGOs im Perlflussdelta” vom März 2012 veröffentlicht.

Beide Beiträge geben einen zumindest ausreichenden Hintergrund ab, diese jüngere Entwicklung in ihrer Bedeutung zu verstehen. Der offene Protestbrief, den SACOM organisiert hat und der von über 100 WissenschaftlerInnen unterzeichnet wurde (darunter vier aus der BRD)... “Open Letter to the Guangdong Government”.

...ist sowohl ein Dokument der Solidarität als auch, muss man leider sagen, des Versäumnisses - den dazu hätten wir auch einiges beitragen können...

Aber: Leider ist diese Geschichte ja auch noch nicht vorüber...